Forscher finden „Fluglärm-Enzym“

Fluglärm kann zu Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems führen. Das ist mittlerweile unstrittig. Doch welche biochemischen Vorgänge sind dafür verantwortlich?...

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MAINZ. Fluglärm kann zu Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems führen. Das ist mittlerweile unstrittig. Doch welche biochemischen Vorgänge sind dafür verantwortlich? Wissenschaftler des Zentrums für Kardiologie der Unimedizin Mainz haben in einer neuen Studie ein Enzym identifiziert, das für fluglärmbedingte Gefäßschäden verantwortlich ist. Sie sprechen von einem „weiteren Durchbruch“ auf dem Gebiet der Lärmforschung.

Wie ein Sprecher der Unimedizin sagte, konnten die Wissenschaftler zeigen, „dass Nachtfluglärm eine besonders schädliche Wirkung hat“. Sie fordern einen unbedingten Schutz der Nachtruhe vor Lärm. Das Team um die Kardiologen Thomas Münzel und Andreas Daiber hatte die Studie im renommierten „European Heart Journal“ veröffentlicht.

Eine Arbeitsgruppe von Münzel hatte nach Angaben der Unimedizin bereits 2013 nachgewiesen, dass simulierter Nachtfluglärm das Stresshormon Adrenalin erhöhe, die Schlafqualität vermindere und einen Gefäßschaden auslöse. Bei Tests an Mäusen fanden die Wissenschaftler heraus, dass Fluglärm unter anderem zu vermehrten Stresshormonen führe und Auswirkungen auf die Gefäße habe. Münzel: „Mit unserer neuen Studie können wir erstmals nachweisen, dass insbesondere Nachtfluglärm – also Lärm während der Schlafphase der Mäuse – und nicht Lärm während der Wachphase für Gefäßfunktionsstörungen verantwortlich ist.“ Zudem zeigten die Studien auf, dass die Ausschaltung eines bestimmten Enzyms, welches hauptsächlich in Entzündungszellen vorkomme, die Auswirkungen von Fluglärm auf Gefäße und Gehirn verhindere. Dieses Enzym war schon in der jüngsten Studie in den Fokus geraten. „Die aktuellen Untersuchungen beweisen nun endgültig dessen zentrale Rolle und liefern den Beweis, dass die negativen Fluglärmeffekte über dieses Enzym vermittelt werden“, so die Wissenschaftler.

„Man muss die Nacht sauber halten“

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Möglicherweise haben die Mediziner nun den Schlüssel in der Hand, medikamentöse Strategien zu entwickeln, um die negativen Effekte von Fluglärm auf den Körper zu neutralisieren. Münzel und Daiber fordern, dass die gesetzliche Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr eingehalten wird. „Man muss die Nacht sauber halten“, sagte Münzel unserer Zeitung. Auch hält er es für skandalös, dass die Uni-Klinik in Mainz überflogen werde. Und die Lärmmessungen dazu würden nicht herausgegeben.

Bei den neuen Untersuchungen haben die Wissenschaftler auch die Auswirkungen von Fluglärm auf das Gehirn untersucht. Dabei wurde ein weiteres Enzym untersucht, das für die Bereiche Lernen und Gedächtnis verantwortlich ist. Dieses werde durch Fluglärm herunterreguliert und somit seine Funktion beeinträchtigt. Dieser neue Befund erkläre möglicherweise die beschriebenen kognitiven Entwicklungsstörungen bei Kindern, die Fluglärm ausgesetzt sind.

Wie Münzel sagte, könne man mit den neuen Befunden klinische Ergebnisse der sogenannten Hyena-Studie erklären, wonach insbesondere Nachtfluglärm Bluthochdruck auslösen könne.

Von Markus Lachmann