Chaos-Airport heißt treffend diese Kirmes-Bude am Mainzer Rheinufer. Im Hintergrund zu sehen: Landtag und Staatskanzlei. Foto: Harald Kaster
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MAINZ - Es ist ein Bernsteinhändler aus Idar-Oberstein, „Herr M.“, der die Geschäftsleute aus China vermittelt. Im Juli 2015 wendet sich „M.“ an die Beratungsgesellschaft KPMG, die den Verkauf des Flughafens Hahn für die Landesregierung abwickelt. Einen „ernst zu nehmenden Investor aus China“ schreibt er in einer Mail. Doch dieser ernst zu nehmende Investor, die Shanghai Yiqian Trading Company (SYT), erweist sich ein Jahr später als Windei. Da sind die Verträge mit dem Land bereits unterschrieben, durch „Herrn M.“, den Bernsteinhändler. Ende Juni 2016 macht die Landesregierung in Mainz den Rückzieher, kündigt die Verträge. Ein finanzieller Schaden ist dem Land nicht entstanden, wohl aber ein riesiger Imageschaden.
Auf 100 Seiten hat der Landesrechnungshof die Geschichte der Shanghai-Connection aufgearbeitet und am Montag dem Landtag überreicht. Es ist ein Dokument voller Sprengstoff, ein Ausweis von Inkompetenz und Ignoranz. Mit einer Beratungsgesellschaft KPMG, die teils schludrig arbeitete. Und mit einem Innenministerium in Mainz, das offenbar nicht so genau hinsehen wollte. Das fing, so der Rechnungshof, schon bei dem Bernsteinhändler „M“ an, der „erkennbar branchenfremd, mit einer solchen Transaktion noch nicht befasst und mehrfach in Insolvenzverfahren verwickelt“ war.
Windeier aus Shanghai statt seriöser Partner
Oder die Firma SYT: Zunächst gab es Verwirrung, weil mehrere Firmen gleichen Namens auftauchten. Die Firma selbst bezeichnete sich als eines der größten international tätigen Handels- und Logistikunternehmen in Shanghai. Eine Homepage hatte sie aber nicht. Reporter der ARD fanden vor Ort ein Minibüro mit Pappkartons auf dem Boden, in denen sich Drogerieartikel befanden. Kein Hinweis auf Logistik oder Luftfahrt.
OPPOSITION
Die AfD nannte die Aussagen des Berichts „verheerend“. Sie forderte einen Untersuchungsausschuss und personelle Konsequenzen. Die CDU sieht Versäumnisse bei Ministerpräsidentin Dreyer. Deren Regierung habe „jegliche Sorgfaltspflicht vermissen lassen“.
Auch wechselten, selbst nach der letzten Verhandlungsrunde mit dem Land, noch die Gesellschafter. Selbst bei Unterzeichnung des Kaufvertrags habe die Regierung nicht gewusst, wer wirklich hinter den handelnden Personen stand, wer Gesellschafter und Eigentümer der SYT war, befindet der Rechnungshof knallhart.
Als Wolkenkuckucksheim erwies sich auch der Businessplan der Chinesen. Derzeit werden am Hahn weniger als 80 000 Tonnen Fracht im Jahr abgefertigt und gut zweieinhalb Millionen Passagiere transportiert. Die Shanghai-Connection versprach im besten Fall bis zu einer halben Million Tonnen Fracht für das Jahr 2024 und bis zu acht Millionen Passagiere. Zahlen, bei denen Hahn-Experten schallend lachen. Das Innenministerium, so die Bewertung des Rechnungshofs, habe die Angaben nicht ernsthaft überprüft. Das hätte sie aber gerade vor dem Hintergrund der Nürburgring-Erfahrungen tun müssen. Jeder Beteiligte, heißt es in dem Gutachten, hätte wissen müssen, dass die SYT selbst nicht in der Lage sein würde, den Kauf zu finanzieren.
Was die sogenannten Finanzierungsnachweise betrifft, watscht der Rechnungshof kräftig die Berater von KPMG ab. Diese hätten die von SYT eingereichten Kopien und Fotos nicht auf Echtheit oder Plausibilität geprüft. So hatten die Chinesen auch eine „Bankgarantie“ über 200 Milliarden US-Dollar vorgelegt, weltweit gebe es aber keine Einzelperson mit einem derart hohen Vermögen, schon gar nicht auf der Bank. Das Innenministerium, heißt es in dem Gutachten weiter, hätte „zum Nachweis der Bonität des Käufers auf einer Finanzierungsbestätigung durch ein Kreditinstitut oder auf eine Bankgarantie bestehen oder weitere Erkundigungen über die Finanziers in Auftrag geben müssen“.
Auch an anderer Stelle lässt der Rechnungshof das Innenministerium nicht aus der Verantwortung, dem sogenannten Integritäts-Check der Hahn-Käufer durch KPMG. So habe das Ministerium nicht auf einer Prüfung der höchsten Stufe bestanden, auch nicht, als das Finanzministerium weitergehende Recherchen gefordert habe. Bei Bewertung von Bonität und Seriosität habe sich die Behörde von Minister Roger Lewentz (SPD) ausschließlich auf die Empfehlungen und Recherchen von KPMG verlassen – zumal diese immer auf den „beschränkten Umfang“ ihrer Nachforschungen hingewiesen habe. „Das Innenministerium hätte die Ergebnisse der Beratungsgesellschaft in eigener Verantwortung nachprüfen müssen.“