AUF DEM WEG ZUM MASTERPLAN
Das rheinland-pfälzische Arbeitsministerium will einen „Masterplan“ zum Thema „Zukunft der Arbeit in Rheinland-Pfalz“ erstellen. In diesem Konzeptpapier sollen Strategien festgehalten werden, wie das Land mit den Folgen der Digitalisierung der Wirtschaft umgehen will. Einer der zu bearbeitenden Punkte in diesem „Masterplan“ soll der Schutz der Arbeitnehmer sein. „Wie gestaltet sich die Sozialversicherung? Wir wollen nicht, dass Veränderungen nur zu Lasten der Beschäftigten gehen“, sagt Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD).
Das Ministerium will, dass dem so genannten Masterplan „ein wissenschaftlich begleiteter, intensiver landesweiter Diskurs“ vorangeht. Zu diesem Diskurs gehören Regionalkonferenzen mit Workshops. Diese Besprechungen sind nicht nur für Politiker, Interessenvertreter und Unternehmer geöffnet. Auch Bürger sind eingeladen, sich an der Debatte zu beteiligen. Zudem gibt es einen „Ovalen Tisch“, an dem Fachleute miteinander sprechen.
Der Auftakt der Regionalkonferenzen findet am Dienstag, 25. April, in Mainz statt. Sie beginnt um 18 Uhr in der Kupferbergterrasse und dauert bis 21 Uhr. Weitere Regionalkonferenzen in Ludwigshafen, Trier und im Norden des Landes folgen. (rio)
zur person
Werner Simon (63) ist seit 1998 Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU), dem Dachverband von 30 Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden im Land. Der gebürtige Niedersachse hat ein Studium der Rechtswissenschaften absolviert und sich anschließend als Fachanwalt für Arbeitsrecht spezialisiert. 1984 übernahm er die erste Funktion in einem Arbeitgeberverband. 1992 zog er mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen nach Rheinland-Pfalz.
MAINZ - In zu vielen rheinland-pfälzischen Gewerbegebieten ist der Internet-Anschluss nicht ausreichend, sagt Werner Simon. Im Gespräch mit dieser Zeitung fordert der Hauptgeschäftsführer des rheinland-pfälzischen Unternehmerverbandes LVU mehr Vertrauen.
Herr Simon, simpel gefragt: Wie zufrieden sind Sie mit dem Stand des Breitband-Ausbaus in Rheinland-Pfalz?
Wir sind in Rheinland-Pfalz digitale Anfänger. Es hat zu lange gedauert, bis der Ausbau gestartet ist. Und es sind nicht nur die berühmten ländlichen Räume, die unterversorgt sind – auch die Gewerbegebiete sind nicht hinreichend versorgt. Laut Breitbandatlas des Bundes liegen wir auf dem drittletzten Platz. Nur knapp die Hälfte der Unternehmen verfügt dort über einen Internetzugang von mehr als 50 Megabit pro Sekunde. Die Pläne nun, dass es bis nächstes Jahr flächendeckend eine Versorgung von 50 Megabit pro Sekunde geben soll, sind daher richtig und wichtig.
Wieso sind Gewerbegebiete nicht ausreichend versorgt?
Das liegt auch an den Kommunen. Die haben das oft bei der Entwicklung nicht bedacht. Dabei ist die Versorgung mit schnellem Internet heute ein Faktor in der Ansiedlung von Industrie. Wer sich ansiedelt, wird keine unversorgten Gebiete wählen.
Wie kann das gelöst werden?
Wir sind der Meinung, dass schnelles Internet zur Daseinsvorsorge gehört. Folglich müssen die Kommunen sich darum bemühen. Wir haben das Projektbüro des Landes auf diese Schwachstelle aufmerksam gemacht. Und wir registrieren, dass das Büro daran arbeitet, die Kommunen dahin gehend zu beraten, dass nicht versorgte Gewerbegebiete mit schnellem Internet ausgerüstet werden.
Warum?
Weil es letztlich im Interesse aller ist. Nur wenn wir Arbeitsplätze auf dem Land halten, bleiben auch die Menschen da. Dass wir danach auch andere Probleme angehen müssen, die zur Entvölkerung führen, ist richtig. Aber als Erstes gilt es, Arbeitsplätze sicher zu machen – und dazu gehört die Versorgung mit schnellem Internet.
Arbeit 4.0 und Industrie 4.0 sind in der Debatte wichtige Schlagwörter. Wie weit sind rheinland-pfälzische Betriebe in diesem Prozess?
Wir sind in Deutschland stark in Clustern, also im Bilden von industriellen Kernen entlang einer Wertschöpfungskette. Die kann man aber nicht am Grünen Tisch erfinden. Was im ländlichen Raum funktionieren kann, sind Startups. Gerade Egghead-Firmen, die in aller Regel Pläne und Konzepte entwickeln, brauchen eine hohe IT-Kapazität, weil deren Arbeit eben Daten frisst.
Hat Rheinland-Pfalz diese Cluster?
Die bestehende Industrie ist erst einmal an ihren Standort gebunden. Und dann gilt das Prinzip: Wo schon Tauben sind, fliegen welche dazu. Solche Umstände darf die Politik aber nicht künstlich schaffen wollen. Sie muss den Rahmen und die Infrastruktur schaffen und das geht über den reinen Breitband-Ausbau hinaus und dann kommen schon die richtigen Firmen.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Kaiserslautern ist für mich ein Hidden Champion, also ein heimlicher Gewinner. Rund um das dortige Exzellenzzentrum ist mit vielen Steuergeldern Großartiges entstanden. Auch wenn es noch Probleme gibt, die PS auf die Straße zu bringen, also den Transfer von der Forschung in die Produktion. Das funktioniert nur, wenn die Wirtschaft die Idee hat und die passenden Forschungsergebnisse dann bei der Wissenschaft abruft und nicht umgekehrt.
Gerade im Raum Kaiserslautern gibt es massive Stauprobleme wegen der vielen Baustellen. Welche Rolle spielt denn die alte Infrastruktur wie Straßen in der digitalen Industrie der Zukunft? Werden nicht alle Arbeitnehmer von zuhause aus arbeiten?
Natürlich benötigen wir für die Industrie der Zukunft auch weiterhin Straßen. Und da hat es mit der vergangenen Regierung einen politisch gewollten Investitionsstau gegeben. Nur können wir jetzt nicht verlangen, dass 120 Millionen jährlich in den Straßenbau gesteckt werden und es dann keine Baustellen geben darf. Allerdings sollten wir uns fragen, was wir tun können, damit eben diese Baustellen schneller abgearbeitet werden. Etwa indem wir es zulassen, dass nachts oder am Wochenende gebaut wird.
Und gibt es dann in der Industrie 4.0, wenn im „Internet der Dinge“ die Maschinen miteinander Daten austauschen, überhaupt noch Arbeitsplätze?
In der Digitalstrategie des Landes stehen ganz viele Sätze darüber, dass wir die neue Arbeitswelt den alten Standards anpassen müssen. Das ärgert mich. Weil es von Misstrauen statt von Vertrauen geprägt ist. Bisher hat jede neue technische Entwicklung sogar zu mehr Arbeitsplätzen geführt.
Inwiefern?
Die Entwicklung verläuft evolutionär, nicht auf einen Schlag. Allein fahrende Mähdrescher zum Beispiel sind Dinge, die schon da sind. Und es entstehen hoch anspruchsvolle Arbeitsplätze in der Entwicklung. Aber eben nicht nur. Sehen Sie, wie der Internethandel zu einem Boom in der Lieferbranche geführt hat. Viele Arbeitsplätze sind dort entstanden, die auch Menschen mit einer weniger guten Bildung übernehmen können. Und ich weigere mich, zu glauben, dass das alles sozial schlechte, unzumutbare Arbeitsplätze seien. Die Arbeitgeber jedenfalls, die zu uns gehören, wollen gute Arbeitsplätze anbieten.
Das Interview führte Mario Thurnes.