Angeblich sorgt die neue Benzinpreis-App ja für mehr Transparenz beim ständigen Auf und Ab der Tarife an den Sprit-Stationen. Wie aber kann es dann sein, dass - wenn auch nur...
. Denken wir einmal zurück an die Zeit, als ein Liter Superbenzin in DM noch so viel kostete wie heute in Euro. Nein, die Rede ist nicht von den 60er oder 70er Jahren, sondern von den frühen bis mittleren 1990ern. Es hat also nicht einmal 25 Jahre gedauert, bis sich der Spritpreis verdoppelte - aber darum geht es nicht. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt (und das macht sie wahrscheinlich nicht, denn Freunde und Bekannte bestätigen meine Einschätzung), war "seinerzeit" der preisliche Abstand zwischen den Tankstellen zwei, drei, manchmal vier, höchstens fünf Pfennige groß. Bei einer noch extremeren Differenz wäre wahrscheinlich der Reporter der Lokalzeitung ausgeschwärmt, um über die Sensation zu berichten. Auch meine ich, dass die auf den riesigen Tafeln angeschlagenen Tarife nicht ständig gewechselt wurden. Der Tankwart (so nannte man den heutigen oder die heutige "Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel - Fachbereich Tankstelle") hätte seinem spritliefernden Mineralölkonzern auch was gehustet, wenn er ständig auf die Leiter hätte steigen müssen, um in einigermaßen luftiger Höhe zum dritten Mal am gleichen Tag die Plastikziffern auszutauschen - die (heutzutage üblicherweise sogar zentral gesteuerte) Preisumstellung erfolgte in den meisten Fällen sozusagen analog. Das alles funktionierte recht gut - auch ohne eine Benzinpreis-App (nur zur zeitlichen Einsortierung: Telefoniert wurde Anfang der 90er noch mit Telefonen, die am Kabel hingen, der erste kommerzielle Internetprovider World startete 1990 und das World Wide Web trat seinen Siegeszug - anfangs noch mit gemächlichem Tempo - ab 1991 an).
Mal eben 11 Euro sparen
Warum ich das alles erzähle? Weil ich neulich bei meinem ganz privaten Spritpreisvergleich vor Schreck fast in den Graben gefahren wäre. Ich komme also an dieser Tankstelle vorbei, deren Namen ich hier nicht nenne, weil ich ihn vergessen habe (es war eine freie, aber das ist ja nun wirklich egal) und nehme den sehr günstigen Tarif für Diesel von 1,279 Euro/Liter zur Kenntnis. Keine 500 Meter weiter, ich befinde mich noch auf derselben Straße, sehe ich dann bei einer Tanke, deren Leitfarbe gelb ist (mehr verrate ich nicht…) einen Literpreis für Diesel von 1,499. Einsneunundvierzigneun! Macht einen Unterschied von 22 Cent oder einen Aufpreis von 17 Prozent, wenn man den Preis der freien Tankstelle als Basis nimmt. Ich bin ja üblicherweise kein Freund von langen Umwegen bei der Suche nach ein paar Cent Ersparnis beim Zapfen von Benzin oder Diesel, aber wer 50 Liter Sprit in sein Auto füllt, spart 11 Euro (oder zahlt diesen Betrag zu viel, das kommt auf die Sichtweise an). Dafür kann man schon einmal etwas Wegstrecke in Kauf nehmen.
Gleiches Ergebnis bei zweitem Besuch
Ich merke gerade, dass ich mich in Rage schreibe. Dabei bin ich noch nicht einmal am wesentlichen Punkt angekommen. Der kommt erst jetzt: An dem Preisbrecher herrschte (keine allzu große Überraschung) sehr reger Betrieb - an der Tanke mit dem so viel höheren Tarif aber auch. Wie kann so etwas sein, wenn doch die Benzinpreis-App angeblich so ein durchschlagender Erfolg ist und die Autofahrer nun minutengenau wissen, wo sie den kostbaren Treibstoff am günstigsten erstehen können? Natürlich liegt der Verdacht nahe, dass ich einfach zur falschen Zeit auf der falschen Straße unterwegs war. Vielleicht hatte der Billigheimer gerade erst seine Preise gesenkt und der Markenanbieter konnte noch nicht reagieren. Deshalb eine Stunde (ich gebe zu: ich war neugierig) später eine Kontrollfahrt - mit dem gleichen Ergebnis: 1,279 hier, 1,499 dort.
Bitte nicht schon wieder "Auf uns"!
Während ich, ich gebe es zu, lange auf dem Erlebnis herumkaute (was soll man auch tun, wenn man im Stau steht und das Radio ausmachen muss, weil man ein viertes Mal in drei Stunden nicht das nervige "Auf uns" von Andreas Bourani ertragen kann?), fiel mir ein ähnlicher Vorfall aus dem Jahr 2013 ein. Seinerzeit musste ich mich wegen akuter Ebbe im Tank von der Autobahn in den nächsten Ort lotsen lassen (danke, Navi!). Dort fand ich an der Hauptstraße direkt gegenüber voneinander zwei Tankstellen vor, deren Preise sich um 12 Cent unterschieden. Auch hier: Reger Betrieb an beiden Stationen, obwohl durch einfaches Abbiegen nach links statt nach rechts bei den 50 Litern Sprit aus dem Beispiel 6 Euro zu sparen gewesen wären.
Zwei ganz persönliche Thesen
Ich habe inzwischen zwei Thesen. 1: Ebenso, wie es reichlich Autofahrer gibt, die lange Umwege fahren, um beim Tanken zwei Euro zu sparen, gibt es auch solche, denen die Tarife völlig schnuppe sind. Tankklappe öffnen, Zapfpistole einführen, Sprit einfüllen, mit Kreditkarte bezahlen, fertig. Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man. 2: Vielleicht gibt es mehr Autofahrer als wir denken, die gezwungen sind, bei den Stationen bestimmter Ketten vorzufahren, zum Beispiel weil sie per (Firmen-)Tankkarte bezahlen. (2a möchte ich mir eigentlich gar nicht vorstellen: Möglicherweise lassen sich Tankende von Bonussystemen dazu verleiten, bestimmte Ketten anzufahren, um anschließend ein aufblasbares Teppichmesser zu erhalten) Wie auch immer: So lange bei so unverschämten Preisunterschieden die Kunden nicht ausbleiben, lachen sich die Bosse der Mineralölkonzerne über die Benzinpreisapp ein Loch in den Strumpf. Das haben sie, nebenbei bemerkt, noch immer gemacht, wenn irgendein Politiker vollmundig ankündigte, die Marktmacht der Multis zu brechen.
Und die Zeche zahlen weiterhin wir.