Long Island ist eine harmonische Welt der Gegensätze
Die amerikanische Insel dient gestressten New Yorkern als ein Ort der Entspannung. Doch hippe Bierbrauer und Kaffeeröster verlocken nicht nur Big-Apple-Bewohner zu einem Besuch.
Von Julia Krentosch
Redaktionsleiterin Lokalredaktion Mainz
Nach dem Surfen geht‘s zum Spaziergang auf der Strandpromenade.
(Foto: Discover Long Island)
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Es wird Abend in Greenport. Die Sonne steht orange am Himmel, taucht die Wiese und die Menschen, die sich mit einem Glas Bier in der Hand in den Liegestühlen der Greenport Harbor Brauerei räkeln, in sanftes Dämmerlicht. Eine Gruppe Männer in Jeans und Flip Flops wirft johlend Kornsäckchen um die Wette, die Hummer Limousine parkt um die Ecke. Ihre Humpen sind randvoll mit trendigem Kürbisbier gefüllt, kleine schicke Häppchen stapeln sich griffbereit auf einem Tablett. „New Yorker“, grinst die blonde Frau hinter der Theke und nickt in die Richtung der Männergruppe. „Am Wochenende kommen sie aus der Stadt, um bei uns auf dem Land zu entspannen.“ Bei uns auf dem Land – die Barfrau meint Long Island. Eine Insel an der Ostküste der Vereinigten Staaten, etwa so groß wie Mallorca, nur ein paar Stunden Autofahrt von New York City entfernt. Eine Insel, die sich an ihrem nordöstlichen Ende in die Halbinseln North und South Fork spaltet und die so ist, wie diese Männergruppe in der Greenport Harbor Brauerei: ein faszinierender Gegensatz aus Land und Luxus, aus bodenständig und Schickimicki. Auf jeden Fall mehr, als nur die Hamptons und ihre berühmten Bewohner.
„In North Fork kannst du um die Ecke eine Tomate kaufen, in South Fork ’ne Rolex.“ Besser als John kann man den spannenden Inselmix wohl nicht zusammenfassen. John wohnt in Long Beach im Süden von Long Island. Gleich am Ende der hölzernen Strandpromenade, wo sich kleine Häuschen mit bunt dekorierten Vorgärten aneinanderreihen. Mit Flip Flops und Hoodie ist John am Strand unterwegs, schaut den Surfern weiter draußen zu. Der Atlantik ist wild und rau an diesem Tag, die hohen Wellen treiben Wind an den Strand. Je näher man dem Wasser kommt, desto heftiger zerrt er an Haaren und Kleidung. John macht das nichts aus, er ist ein „Polar Bear“, ein Eistaucher. So steht es auf seinem Pullover. Nur wer es durchgezogen hat, bekommt einen. Auch der Mann, der gerade an John vorbeigejoggt ist, trägt ihn. Man grüßt sich im Vorbeigehen. Jedes Jahr zum Super Bowl treffen sich Polarbären wie John und der Jogger in Long Beach. Um die Wünsche kranker Kinder zu finanzieren, springen sie beim großen „Super Bowl Splash“ mit Hunderten Menschen für den guten Zweck ins Wasser – ein eiskaltes Vergnügen.
Aber John mag es kalt. Wenn er nicht in den eisigen Atlantik hüpft, schleckt er Eis im Magic Fountain. Der kleine Laden in Mattituk, etwa anderthalb Autostunden von Long Beach entfernt, steht so unscheinbar am Straßenrand, dass man ihn fast übersieht. Hier gibt es Eissorten, die so außergewöhnlich und lecker sind, dass ein einziger Besuch nicht genügt. Ein Geheimtipp im Suffolk County. John erzählt jedem Touristen davon. Neun Millionen sind es jedes Jahr, John trifft so einige davon. Mattituk liegt ohnehin auf ihrer Reiseroute, denn hier wollen sie über die Love Lane schlendern. Die winzige Straße ist gerade mal ein paar hundert Meter lang, und doch hat sie ihren Namen verdient. Feinkostgeschäfte und Käsereien treffen hier auf liebevoll gestaltete Küchen, Buchhandlungen und Dekoläden. Bekannte Ketten oder große Kaufhäuser sucht man hier vergebens, der Reiz liegt im Individuellen. „Starbucks hat sich in der Gegend nicht halten können, weil die vielen kleinen, verrückten Coffeeshops einfach zu gut sind“, erzählt Maggie LaCasse, Pressesprecherin der Tourismuszentrale „Discover Long Island“. Der berühmteste Coffeeshop im Suffolk County gehört Aldo. Der weißhaarige Mann mit wilden Locken röstet die Bohnen für seinen Kaffee im Schaufenster von Aldo’s in Greenport, ein paar Minuten Fahrtzeit von Mattituk ent- fernt.
Nach dem Surfen geht‘s zum Spaziergang auf der Strandpromenade. Foto: Discover Long Island
Abendstimmung im Hafen von Greenport. Foto: Julia Krentosch
Die Gegend um den historischen Leuchtturm in Montauk ist perfekt, um Ruhe und Entspannung zu tanken. Foto: Alissa Rosenberg
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„Einmal hat er dabei aus Versehen seinen Laden abgefackelt, die ganze Straße hat nach Kaffee gerochen“, erzählt Teach Mayer und grinst. Ihm gehört das Sound View Hotel. Noch so ein Geheimtipp. Einer mit Aussicht, denn wie der Name schon sagt, haben alle Zimmer Blick auf den Long Island Sound. So beruhigend und inspirierend wirken das sanfte Rauschen der Wellen und die exklusive Sicht auf Sonnenauf- und Untergang, dass sich Autoren und Künstler den ganzen Winter über hier einmieten. Tanz- und Theatergruppen dürfen außerhalb der Saison sogar im Restaurant proben. „Es gibt eine lebhafte Kunstszene vor Ort, eine enge, lokale Gemeinschaft“, Mayer und seine Frau wollen dieses Netzwerk erhalten, „die Mischung aus Tourismus, Landwirtschaft, Weinbau, Fischerei und der Kunst“. Eben das, was Long Island ausmacht.