Regenbogenbunte Stadt: Eine Woche lang feiern Schwule und Lesben alljährlich in Kanadas Metropole Toronto ein Festival.
Foto: Carsten Heinke
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Bäcker färben ihre Kekse bunt, Floristen ihre Blumen. Textilgeschäfte hängen die Kleidung nach dem Farbspektrum auf. Der CN-Tower wird nachts damit beleuchtet: Regenbogen, soweit das Auge reicht. Als Fahne, auf Plakaten, Werbetafeln, T-Shirts, Kinderwagen. Selbst im Schaufenster des Kebab-Ladens wirbt das internationale Symbol der Homosexuellen für Toleranz und sexuelle Freiheit.
Was viele Fremde staunen lässt, ist für Toronto ganz normal. Wenn Schwule und Lesben in Kanadas größter Metropole alljährlich ihren „Pride“ feiern, ist mittlerweile die ganze Stadt beteiligt – und immer mehr Gäste aus aller Welt. Doch längst lockt nicht nur das einwöchige Festival mit seinen Veranstaltungen schwule und lesbische Touristen in die Stadt am Ontariosee. Dank ihrer Offenheit und des entspannten Umgangs mit dem „Anderssein“ ist sie zu einem ganzjährigen Reiseziel von Homosexuellen geworden.
„Kanada gehört seit Langem zu den homofreundlichsten Ländern der Welt. 2005 war es nach den Niederlanden, Belgien, dem US-Staat Massachusetts sowie Spanien einer der ersten Staaten, der die Ehe von Schwulen und Lesben gesetzlich erlaubte. Toronto, von dessen zweieinhalb Millionen Einwohnern mehr als 350 000 homosexuell sind, hat viel Erfahrungen mit schwul-lesbischer Alltagskultur“, weiß Michele Simpson von Tourism Toronto.
Regenbogenbunte Stadt: Eine Woche lang feiern Schwule und Lesben alljährlich in Kanadas Metropole Toronto ein Festival.
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Die Dünen von Maspalomas auf Gran Canaria sind ein beliebtes Reiseziel von homosexuellen Männern.
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Seit vielen Jahren wirbt die Vielvölkermetropole mit dem Slogan „As gay as it gets!“ („So schwul wie’s geht!“) ganz gezielt auch um Touristen mit gleichgeschlechtlicher Lebensweise und setzt damit international Maßstäbe für eine offenere Gesellschaft.
Bekanntlich reisen Deutsche gern und oft. Die homosexuellen unter ihnen bilden da keine Ausnahme. „Nur in einem wesentlichen Punkt unterscheiden sich viele Angehörige dieser Zielgruppe von anderen Touristen: Sie sind gern mal unter sich – und zwar am liebsten dort, wo niemand überrascht ist oder sich daran stößt, wenn sich zwei Frauen küssen oder ein Männerpaar nach einem Doppelzimmer fragt“, sagt Thomas Bömkes von der Diversity Tourism GmbH. Die in München ansässige Agentur gehört weltweit zu den führenden Beratungs- und Marketing-Agenturen in Sachen „Gays & Friends“ mit dem Schwerpunkt Tourismus.
INFORMATIONEN
Reiseangebote: Achttägige Kreuzfahrten (gay, aber offen für alle) auf der Cabaret Majesty durchs westliche Mittelmeer ab/bis Barcelona oder durch „Atlantische Inselwelten“ ab / bis Las Palmas (Gran Canaria) gibt es bei Dertour zum Beispiel zwischen Mai und Juli 2016 ab 1 056 Euro, www.dertour.de / gaytravel. Das nächste Gay-Snow-Happening – die größte schwule Ski-Woche Europas – findet vom 2. bis 9. April 2016 in Sölden/Ötztal, Tirol, statt. www.gaysnowhappening.com.
Reiseführer: Jede Menge Infos rund ums schwule Reisen von Gay Hot Spots und Top-Hotels über Events und Sauna-Guide bis zum International Gay Travel Index gibt es unter www.spartacusworld.com/de. Tipps zum Oktoberfest wie auch zu schwulen Reisen um die ganze Welt (u. a. mit USA Gay Guide) hat der Online-Reiseführer Tom-on-Tour, www.tomontour.com.
Dass Lesben oder Schwule heute mehr als früher reisen, sei ein falscher Eindruck, der durch die gestiegene Akzeptanz und damit verstärkte Medienpräsenz erweckt werde. „Nun trauen sich auch kommerzielle Unternehmen, öffentlich für die Zielgruppe zu werben. Der Markt wächst“, so der Experte.
„Beschränkte sich das schwule Reisen früher fast ausschließlich auf Badeurlaub und City-Trips, umfasst es heute auch Kreuzfahrten. Neben reinen Partyschiffen gibt es Cruises im mittel- bis südamerikanischen Raum wie Costa Rica, Kolumbien, Panama mit spannenden Regenwaldexkursionen und kulturellen Ausflügen, aber auch Rundreisen und Outdoor-Aktivitäten von Wasserwandern über Bergsteigen bis zum Wintersport“, erklärt Bömkes. Ein gutes Beispiel ist das von ihm mitorganisierte Gay-Snow-Happening im Tiroler Wintersportort Sölden, das jährlich im Spätwinter stattfindet.
Doch ganz gleich, ob Skipiste oder Sandstrand – wichtig für einen Urlaub unter Männern, die auf Männer stehen, sind schwule Bars und Clubs für Partys in legerer Atmosphäre. Es gibt zwar inzwischen auch reine Gay-Hotels und -Restaurants, doch vielen gleichgeschlechtlich orientierten Gästen reicht es aus, wenn sie „gayfriendly“ logieren und essen gehen können. „Viel wichtiger jedoch als solche Etiketten ist für die meisten Homosexuellen – neben guter Qualität und fairen Preisen – die günstige Lage, ein spektakulärer Ausblick, eine geschmackvolle Einrichtung und freundliches Personal“, erklärt Thomas Bömkes.
Um zu zeigen, dass niemand ausgeschlossen bleiben soll, ermutigen inzwischen auch immer mehr ausgewiesene Szene-Lokalitäten nichthomosexuelle Gäste zu einem Besuch – etwa durch Schilder mit der Aufschrift „heterofriendly“. Die leichte Ironie darin ist durchaus ernst gemeint. Im Reisemarkt umschreibt der Begriff: „eigentlich für Homosexuelle, aber offen für alle“.
Im Unterschied zu Schwulen, die beim Reisen gerne feiern, ziehe es Lesben eher in ruhigere, abgeschiedenere Orte. Während sie lieber nach La Palma reisen, ist für den schwulen Strandurlaub Gran Canaria prädestiniert. Insbesondere die Dünen von Maspalomas im Süden der Kanareninsel haben es den homosexuellen Männern angetan. Im angrenzenden Ort Playa del Inglés entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten eine regelrechte schwule Infrastruktur mit dem „Yumbo Centrum“ als Dreh- und Angelpunkt.
Die meisten Homo-Reiseziele in Europa liegen am oder im Mittelmeer. Die klassischen Hochburgen sind Ibiza, Mykonos und Sitges. Bei den Städten zählen Amsterdam, Barcelona, Berlin, Köln, London, Rom und Wien mit ihrem einschlägigen Szene-Leben zu den Lieblingsdestinationen der Lesben und Schwulen. Daneben, so weiß Thomas Bömkes, gibt es fast in jedem Land auch Ziele, die eher nationale Bedeutung haben und anderswo als Geheimtipp gelten: „Typisch für Italien sind Toscana, Taormina, Apulien, Sizilien. Dass man dort vor allem schwule Italiener trifft, ist wiederum für deutsche Schwule interessant.“
In den USA, die in diesem Jahr mit der Legalisierung der Homo-Ehe in allen Bundesstaaten einen gewaltigen Schritt in Richtung Gleichstellung getan haben, gehören Florida mit Key West, Miami, Fort Lauderdale und Saint Petersburg sowie Kalifornien mit Palm Springs, San Francisco und Los Angeles zu den bevorzugten Tummelplätzen der Gays. Chinesische Homosexuelle wiederum baggern in ihrem Urlaub am liebsten an den herrlichen Tropenstränden Südostasiens.
Die zauberhaften Strände der Halbinsel Krim am Schwarzen Meer mit ihrem subtropischen Klima und malerischen Buchten sind seit vielen Jahrzehnten sehr beliebt bei Homosexuellen aus Russland und der Ukraine. Nur müssen die ihr Anderssein verstecken und alles, was für viele Schwule in der westlichen Welt längst normal ist, heimlich tun. Denn in den meisten Ex-Sowjetländern wie auch in vielen arabischen, afrikanischen, asiatischen und karibischen Staaten wird Homosexualität noch immer nicht akzeptiert, verfolgt und sogar mit ganz verschiedenen Mitteln bekämpft.
Um darüber aufzuklären, wohin homosexuelle Urlauber sorglos reisen können und wo sie unerwünscht oder sogar ernsthaft gefährdet sind, gibt der im Berliner Bruno-Gmünder-Verlag erscheinende internationale Gay Guide „Spartacus“ einen jährlichen Gay Travel Index heraus. 2015 gelten Schweden, Großbritannien, Belgien, die Niederlande, Frankreich, Kanada, Dänemark, La Reunion, Island, Norwegen, Spanien, Finnland, Luxemburg und Uruguay als die schwulenfreundlichsten Länder.
Zu den Schlusslichtern der Liste gehören Jamaika, Russland, der Jemen, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, der Iran und Somalia. In mehr als 80 Ländern gelten gleichgeschlechtliche Liebes- oder Sexhandlungen als Verbrechen. In sieben Ländern Afrikas und Asiens können sie mit dem Tod bestraft werden.
Punktgleich mit Französisch-Polynesien, Neukaledonien und Malta liegt Deutschland auf Rang 15 des 188 Länder umfassenden Gay Travel Index und wird damit als homofreundliches Land gewertet. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist zwar nicht erlaubt, doch immerhin stehen Andersliebenden eigene Reisekataloge zur Verfügung.
Erstmalig bot Tui 2009 ein solches Produkt an. Seit 2012 bringt Dertour einen jährlichen Gay-Travel-Katalog heraus. „Partner sind neben allen gängigen Airlines überwiegend Individualhotels aller Preisklassen mit entsprechender Positionierung im relevanten Segment. Unsere Kunden wie auch Vertriebspartner sind sehr glücklich über diesen Katalog, spart er doch viel Zeit und Suchkosten und gibt die Möglichkeit, alles aus einer Hand zu buchen“, sagt Produktleiter Jens Reinhardt, der sich seither über jährliche Zuwächse freuen kann. Zunehmend gefragt seien neben Bade- und City-Tourismus Gay-only-Kreuzfahrten.
Ergänzt werde das einschlägige Reiseangebot durch viele praktische Hinweise, Insidertipps und Community-Aktivitäten im sozialen Netzwerk, das unter anderem auch Reisebüros einbeziehe, die Dertour Gay Travel anbieten.