Freitag,
26.02.2016 - 00:00
5 min
Wandern auf der Karibikinsel Dominica
Von Jens Kuhr

Typisch karibisches Flair: Die Hauptstraße im Ort Ponte Michel. Foto: Jens Kuhr ( Foto: Jens Kuhr)
Angelo Orman blickt hinunter auf Roseau – dorthin, wo der gleichnamige Fluss ein riesiges Delta in das Karibische Meer geschoben hat. Doch nicht die Häuser der Hauptstadt im Südwesten Dominicas beherrschen das Bild. Es ist das Kreuzfahrtschiff mit über 3 000 Passagieren, das sich im Hafen der Stadt auftürmt. Keiner der Passagiere wird sich nach hier oben verirren, in Ormans kleinen Laden, der selbst gemachten Rum, einheimisches Kubuli-Bier und frisch frittierten Fisch für seine Kunden bereithält. „Die Kreuzfahrttouristen interessieren sich nicht für uns und sie geben hier auch kein Geld aus“, sagt der Kleinunternehmer. Sein Laden befindet sich am höchsten Punkt Dominicas, auf halber Strecke zwischen Roseau und Grand Bay. Richtung Osten schweift der Blick zwischen niedrig hängenden Wolkenfetzen zum Atlantik, über eine mit haushohen Farnen, Palmen und tropischen Baumriesen dicht bestandene, wild zerklüftete Berglandschaft.
Die Insel Dominica liegt zwischen Guadeloupe und Martinique und gehört zu den kleinen Antillen. Mit 749 Quadratkilometern ist sie etwa so groß wie Hamburg, doch auf dieser Fläche gedeihen 14 Bananensorten und 55 Orchideenarten. Außerdem gibt es neun Vulkane, unzählige Flüsse, Wasserfälle, Bergseen und natürliche Dschungelpools. Das Kronjuwel der Insel ist der ursprüngliche tropische Regenwald mit dem Morne Trois Pitons Nationalpark, Unesco-Weltnaturerbe seit 1997. Gerne lassen sich Filmstars in ihrem Urlaub vor dieser Kulisse sehen, Tom Cruise etwa oder Johnny Depp. Auch Mick Jagger verbrachte für eine kreative Pause ein paar Tage im Papillote Wilderness Retreat, einer Gartenanlage mit heißen Quellen und Vogelbeobachtungsplatz, um den herum sich morgens und abends viele der über 150 heimischen Vogelspezies einfinden.
„The Nature Island“ heißt der Slogan, den die Regierung erfunden hat, um der Insel den touristisch perfekten Schliff zu geben. Die Regierung setzt auf Nischen: Im touristischen Masterplan stehen Wandern und Wellness ganz oben. Massentourismus soll es nicht geben. Dafür besitzt Dominica auch gar nicht die Infrastruktur. Als Disney vor einigen Jahren den zweiten Teil von „Fluch der Karibik“ auf der Insel drehte, wurde es eng. Der Kreuzfahrttourismus aber sei eine so wichtige Einnahmequelle für die Geschäfte Roseaus, für örtliche Fuhrunternehmer und das Kunsthandwerk, dass geplant sei, das Ausflugsangebot für Kreuzfahrer auszubauen und weitere Kreuzfahrtschiffe nach Dominica zu bringen. Im Jahr 2014 kamen fast 290 000 Kreuzfahrer und über 80 000 Übernachtungsgäste. Die Kreuzfahrt-Besucher ließen umgerechnet rund 8,64 Millionen Euro auf der Insel, bei den Übernachtungsgästen waren es rund 107,6 Millionen Euro.
Um Wanderer auf die Insel zu holen, sind in den vergangenen Jahren eine Reihe von Wanderwegen angelegt worden. Wer möchte, kann an einem Tag durch ein halbes Dutzend unterschiedliche Vegetationszonen gehen. Wen es nach mehr verlangt, der kann die Insel von Süden nach Norden auf dem 184 Kilometer langen Waitukubuli National Trail überqueren. Viele Passagen benutzten die Einheimischen, die Kalinago, schon vor der Ankunft von Kolumbus. Der hat die Insel zwar nie betreten, segelte aber am 3. November 1493 an ihr vorbei. Es war ein Sonntag, auf Spanisch Domingo, und die Insel hatte ihren Namen. Jahrhunderte vorher hatten die Kalinago das Eiland erreicht und es „Waitukubuli“ getauft, was „von hoher Gestalt“ bedeutet. Die Nachkommen dieser Ureinwohner sind die letzten, die in der Karibik überlebt haben. Rund 3 500 von ihnen leben im Nordosten Dominicas, im Kalinago Territory. Besucher können im Territory übernachten und mit den Menschen zusammen kochen, Einbäume bauen oder fischen – auf Wunsch mit Familienanschluss. Außerdem organisiert das Kulturzentrum geführte Wanderungen. Körperlich etwas anspruchsvoller ist der Abschnitt sechs auf dem Waitukubuli National Trail, ein Spaziergang ist dagegen der Rundweg um das Kulturzentrum. Besonders schön ist der Weg zur L‘Escalier Tête Chien. Der Legende nach soll auf dieser natürlichen Treppe eine riesige Boa constrictor aus dem Atlantik emporgestiegen sein, hinauf auf den Morne Diablotin, den mit 1 447 Metern höchsten Berg Dominicas. Das „Teufelchen“ zu besteigen ist sehr beschwerlich, und oft hängt der Gipfel in Wolken. Einfacher zu gehen ist ein Klassiker unter den Wanderungen auf Dominica, die Tour zum Boiling Lake. Sie gehört zum Abschnitt vier des Waitukubuli National Trail.
INFORMATION
Anreise: Von Europa aus gibt es keine Direktflüge nach Dominica. Am besten fliegt man ab Frankfurt via Paris nach Guadeloupe (ca. 580 Euro) und von dort geht es am nächsten Tag mit der Fähre nach Dominica (ca. 80 Euro).
Unterkünfte: Das Fort Young Hotel (ca. 80 Euro / DZ) in der Hauptstadt ist geeignet, um Roseau zu erkunden und für Wanderungen u. a. zum „Boiling Lake“. In jeder Hinsicht traumhaft sind das Calibishie Cove in Calibishie (ca. 105 Euro / DZ) und das Beau Rive in der Nähe von Castle Bruce (ca. 175 Euro / DZ).
Wandern: Ob gemütlich oder anspruchsvoll: Es gibt markierte Wege für jeden Geschmack. Wer etwas über Land und Leute erfahren will, sollte unbedingt mit einem ortskundigen Wanderführer gehen: Tipp: Jeffrey Akwasi Asiedu: asiedu86@hotmail.de und Octave Joseph: seedatriva@yahoo.com.
Tropensturm „Erika“: Im August 2015 hat der Tropensturm „Erika“ große Schäden auf Dominica hinterlassen. 35 Menschen starben, Häuser, Brücken und Straßen wurden zerstört. Laut Fremdenverkehrsbüro Dominica können Besucher inzwischen aber wieder weitgehend ungehindert Urlaub auf der Karibikinsel machen. Auch die meisten Wanderwege sind wieder in Ordnung. Das Fremdenverkehrsbüro empfiehlt jedoch, den Zustand der Straßen vor einem Ausflug zu erfragen.
Auskunft: Dominica – Fremdenverkehrsbüro, 0711 - 26 34 66 24, www.discoverdominica.com.
Unterkünfte: Das Fort Young Hotel (ca. 80 Euro / DZ) in der Hauptstadt ist geeignet, um Roseau zu erkunden und für Wanderungen u. a. zum „Boiling Lake“. In jeder Hinsicht traumhaft sind das Calibishie Cove in Calibishie (ca. 105 Euro / DZ) und das Beau Rive in der Nähe von Castle Bruce (ca. 175 Euro / DZ).
Wandern: Ob gemütlich oder anspruchsvoll: Es gibt markierte Wege für jeden Geschmack. Wer etwas über Land und Leute erfahren will, sollte unbedingt mit einem ortskundigen Wanderführer gehen: Tipp: Jeffrey Akwasi Asiedu: asiedu86@hotmail.de und Octave Joseph: seedatriva@yahoo.com.
Tropensturm „Erika“: Im August 2015 hat der Tropensturm „Erika“ große Schäden auf Dominica hinterlassen. 35 Menschen starben, Häuser, Brücken und Straßen wurden zerstört. Laut Fremdenverkehrsbüro Dominica können Besucher inzwischen aber wieder weitgehend ungehindert Urlaub auf der Karibikinsel machen. Auch die meisten Wanderwege sind wieder in Ordnung. Das Fremdenverkehrsbüro empfiehlt jedoch, den Zustand der Straßen vor einem Ausflug zu erfragen.
Auskunft: Dominica – Fremdenverkehrsbüro, 0711 - 26 34 66 24, www.discoverdominica.com.
Hierher begleitet der Wanderführer Jeffrey Akwasi Asiedu seine Wandergruppen. „Auf Dominica gibt es keine gefährlichen Tiere und giftigen Pflanzen“, erklärt Asiedu am frühen Morgen den elf Teilnehmern der Wanderung am Treffpunkt Titou Gorge. „Wir werden mindestens sechs Stunden unterwegs sein – reine Gehzeit.“ Wenig später bricht die Sonne durch den Nebel und setzt die kräftig-grünen Farnbäume in Szene, die den Pfad aus dem tief eingeschnittenen Flusstal säumen. Asiedu zeigt auf ein paar Orchideen, die sich die Äste eines ansonsten mit dickem Moos überzogenen Baumes erobert haben. „Aufsitzerpflanzen“, nennt er das. Als dann noch der durchdringende Schrei einer Kaiseramazone aus dem dichten Grün tönt, ist das Dschungelerlebnis perfekt. Zu Gesicht bekommt den Papagei allerdings niemand. Als der Hurrikan „David“ 1979 mit bis zu 240 Stundenkilometern durch Dominicas Berge fegte, zerstörte er nicht nur weite Teile des Regenwaldes. Fast alle der sensiblen Kaiseramazonen fielen dem Sturm zum Opfer. „Die Papageien sind sehr treu. Stirbt ein Partner, ist der Übriggebliebene kurze Zeit später meist auch tot“, erklärt Asiedu.
Vom höchsten Punkt der Wanderung, dem Morne Nicholls, führt ein in den roten Boden eingegrabener Pfad steil hinunter ins „Valley of Desolation“. Hier wachsen keine Pflanzen mehr. Die Sonne brennt auf der Haut. Aus den Rissen und Löchern im Boden blubbert, dampft und zischt es. Aus den Erdspalten tritt Gas aus. Schlammtöpfe kochen über. Es stinkt nach faulen Eiern. Der Vulkan ist bei der Arbeit.
Dann erreicht man den Boiling Lake, den mit rund 70 Metern Durchmesser zweitgrößten kochenden See der Erde. Auf dem Rückweg wird die Stimmung sehr gut, als Asiedu zum Baden lädt. Im Schatten der Dschungelvegetation liegt ein natürlicher Pool. Das Wasser stammt aus einer heißen Quelle oberhalb und hat sich auf seinem Weg hierher so sehr abgekühlt, dass es nicht angenehmer sein könnte. Das ist Balsam für die Seele.