Mit der Kuranda-Bahn durch den Regenwald von Queensland
Von Armin Möller
Mehr als 40 Brücken gibt es auf der Strecke von Cairns nach Kuranda. Foto: Kuranda Railway
( Foto: Kuranda Railway)
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Mitten im Regenwald westlich des Küstenorts Cairns, hoch oben im tropischen Nordosten Australiens, hört man rheinhessische Töne. Nach Cairns reist man vor allem, um mit Schnellbooten hinaus zum Great-Barrier-Reef zu flitzen – und um mit einer Bergbahn zu fahren, die in ganz Australien berühmt ist.
Für diese Bahn arbeitet Karoline Werner. Die Mittvierzigerin ist ständig von Fahrgästen umlagert. „Das gehört zum Job. Ich bin für die Betreuung der Fahrgäste zuständig.“ Sie wendet sich einem älteren Ehepaar zu. „Die berühmten Barron-Wasserfälle werden erst gegen Ende der Fahrt erreicht“. Karoline, die Zugchefin auf der 9.30-Uhr-Fahrt, die zunächst durch Zuckerrohrplantagen und dann hinauf in die Berge der Macalister Range führt, erklärt, wie lange es noch dauern wird. Sie rät: „Setzen Sie sich auf die rechte Seite des Zuges, von hier aus sieht man mehr, auch die spektakulären Brücken.“ Jetzt wird nach den Lokomotiven gefragt, die den Zug hier von Höhe Null – „Sea-Level“ – bis zur Bergstation Kuranda auf 328 Metern über dem Meer ziehen. Einer der Fahrgäste will wissen, ob die Waggons der Bahn „historic“ sind. Ein Anstecker an ihrer Bahnuniform weist Karoline als „Senior-Guest-Service-Attendant“ aus. Sie ist damit für so ziemlich alles hier zuständig und hat diese Frage schon oft gehört: „Unsere zwei Dieselloks bringen je 1000 PS auf die Schiene.“ Die Wagen stammen zum größten Teil noch aus den 1930er-Jahren – „that is historic“. „Sie werden bestens gewartet und wir sind auf der Schmalspur 1067 Millimeter unterwegs und brauchen für unsere 37 Kilometerstrecke knapp zwei Stunden – bei Tempo 21.“
Karoline antwortet in perfektem Australien-Englisch – wenn auch mit unüberhörbarem Rheinhessen-Akzent. Sie sei eine Winzertochter aus Pfaffen-Schwabenheim, erklärt sie ihre Spracheinfärbung. Wie aber verschlägt es eine Rheinhessin hierher in die australischen Tropen – exakt 14 754 Kilometer entfernt von zu Hause. Ein Wort genügt: „Die Liebe.“ Nach dem abgeschlossenen Pädagogik-Studium habe sie sich die Welt anschauen wollen, erzählt Karoline. Auf der Insel Bali habe ein Mann sie wegen ihres überdimensionalen Rucksacks geneckt. Ihn, Ryan Donelly, ein australischer Umwelttechniker, habe sie dann später auf der Reise noch einmal getroffen. „So kam ich mit Ryan hierher nach Cairns. Nach einiger Zeit als Fremdenführerin habe ich 2012 ein Jobangebot von der Kuranda-Scenic-Railway erhalten.“
Mehr als 40 Brücken gibt es auf der Strecke von Cairns nach Kuranda. Foto: Kuranda Railway Foto: Kuranda Railway
Die Rheinhessin Karoline Werner lebt und arbeitet im australischen Regenwald als Gästebetreuerin bei der Bahn. Foto: Möller Foto: Möller
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Unter den Fahrgästen sind viele eingefleischte und engagierte Bahnfans. Sie wollen viel wissen. Kein Problem für Karoline. „Vor 135 Jahren begann der Bau der Schmalspurbahn durch den Regenwald als Transportmittel für den Bergbau im Gebirge. Sie wird in vielen Kehren entlang der steil ansteigenden Bergflanke in die Höhe geführt. Es gibt 15 Tunnel und mehr als 40 Brücken – je Kilometer mindestens eine.“
Kurze Zeit später hält der Zug über den Wasserfällen. „Nutzen Sie lieber die obere Aussichtsplattform, da gelingen die besseren Fotos.“ Es geht weiter durch den Barron National Park und über eine Trasse, die zeitweise so wirkt, als sei sie in den Bergrücken hineingefräst worden. Die Strecke muss ständig auf Stabilität kontrolliert werden. Das Gelände ist anspruchsvoll. 23 Arbeiter verunglückten im 19. Jahrhundert während des Baus durch Erdrutsche tödlich. Kontrollgänge sind daher unverzichtbar – Sicherheit geht vor.
INFORMATIONEN
Anreise: Zum Beispiel von Frankfurt über Hongkong mit Cathay Pacific ab 1578 Euro.
Kuranda-Bahn: Die Eisenbahnfahrt hinauf in die Berge westlich von Cairns beginnt an der Central Station in Cairns. Täglich bietet die Kuranda-Scenic-Railway mehrere Abfahrten nach Kuranda an, wobei der Zug um 9.30 Uhr am beliebtesten ist. Die Bahn braucht für die Fahrt etwa 105 Minuten. Der Gegenzug fährt in Kuranda 40 Minuten später ab. Die Fahrt mit der Bahn kostet umgerechnet 35 Euro und kann mit der Rückreise per Skyrail-Rainforest-Cableway kombiniert werden. Das Kombiticket Bahn und Seilbahn kostet 85 Euro, www.ksr.com.au, www.skyrail.com.au.
Unterkunft: An Hotels fehlt es in Cairns nicht. Es gibt alles vom Backpacker-Hostel bis zum 4-Sterne-Haus. Die Durchschnittspreise liegen zwischen 60 und 100 Euro.
Great Barrier Reef: Cairns ist der meistgenutzte Ausgangspunkt für Schiffsausflüge zum Great Barrier Reef – mehrere Unternehmen mit unterschiedlichen Angeboten bieten Fahrten zum hier nur 30 Kilometer entfernten Riff an. www.oceanfree.com.au.
Die Langsamkeit, mit der der Zug vorankommt, stört niemand. Es gilt: Die Strecke ist das Ziel. Der dichte, stets regennasse Urwald links und rechts der Trasse wird bestaunt. Hier stehen gewaltige Bäume, wie man sie von zu Hause nicht kennt, baumhohe Farne und überall ein sattes Grün. An einigen Steilhängen hat man eine grandiose Sicht auf Seen. Der Blick fällt tief in Schluchten hinein.
Die „Railway“ hat inzwischen ihre Endstation im kleinen Bergdorf Kuranda erreicht. Karoline Werner eilt entlang des Zuges zum Gold-Klasse-Waggon. Hier warten ein 90-jähriger Australier und sein Enkel auf sie. „Grandpa hat sich diese Fahrt gewünscht, er hat auf ‚Gold‘ bestanden, weil dabei praktische Demonstrationen der Bahntechnik im Preis inbegriffen sind.“ Auch das gehört zum Job. Sie begleitet die beiden ins Stellwerk von Kuranda und demonstriert, wie Weichen und Signale per Hebelzug bewegt werden. „Die Sicherheitstechnik ist mehr als 100 Jahre alt und immer noch absolut verlässlich.“
Auch auf dem Weg zum Stellwerk wird Karoline von Fahrgästen angehalten. Mehrfach beantwortet sie deren Fragen mit: „Immer den Schildern nach und dann ein paar Treppen hinauf, von dort startet die Seilbahn.“ Einige Fahrgäste haben für die Talfahrt die 7,5 Kilometer lange Skyrail-Seilbahn gebucht, die hoch über dem zum Weltkulturerbe zählenden nordost-australischen Regenwald hinunter an die Küste fährt.
Karolines Tipp: Unbedingt in der Mittelstation mit einem Ranger die Regenwaldtour mitmachen oder zumindest auf einem der markierten Wege eine Runde durch den Wald gehen. Hier wird das Leben der Pflanzen und Tiere im Wald erklärt und auch der Kampf der Bäume um den für sie überlebenswichtigen Sonnenschein – ihre Energiequelle – heraus aus dem Schatten wird beschrieben. Gleich neben der Talstation der Skyrail gibt es ein Kulturzentrum der Aborigines, der Ureinwohner Australiens, die hier demonstrieren, wie ihre Vorfahren im Einklang mit dem Wald lebten und welche Jagd- und Kulturtechniken sie nutzten. Wer mag, kann im kühlen Barron-Fluss baden oder das Bumerang- oder Speerwerfen erlernen.