Auf Expedition zu mysteriösen Höhlenlandschaften Portugals
Im Süden des Landes bringen erfahrene Einheimische Besucher durch enge Felsspalten in geheimnisvolle Grotten. Der Nervenkitzel ist bei diesem Abenteuer garantiert.
Von Pia Hoffmann
Die Grotte von Benagil ist ein beliebtes Ausflugsziel an der Algarve.
(Foto: Pia Hoffmann)
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Vor einer zerklüfteten Klippe schaukelt ein buntes Fischerboot. Es wartet auf die perfekte Welle. Erst wenn sich genug Meerwasser aufgetürmt hat, senkt sich die Wasseroberfläche danach für wenige Sekunden so weit, dass eine winzige Höhlenöffnung entsteht. „Kopf einziehen!“, brüllt der Kapitän und lässt das kleine Holzboot im Sog der Welle in die Felswand gleiten. Bis auf den gleißenden Lichtkegel, der durch den schmalen Steinspalt dringt, ist es drinnen stockdunkel. Das Wasser unterm Kiel glitzert in mystischem Grün und lässt die tropfende Höhlendecke funkeln, als sei sie mit Smaragden besetzt. Eine Urlauberin spricht aus, was alle denken: „Wie kommen wir hier bloß wieder raus?“ „Kein Problem“, beruhigt David Lamy am Ruder. Seit Jahrzehnten steuert der ehemalige Fischer aus Armação de Pêra mit seinem kleinen Boot Touristen sicher durch die engsten Höhleneingänge. Doch gibt er zu: „Die große Schwierigkeit ist, dass man den Wellengang in den Grotten nicht sehen kann. Wenn man nicht aufpasst, kann es schon vorkommen, dass man mal anstößt.“
Früher konnte man die Fischer, die am Praia Dos Pescadores ihre Netze flicken, einfach nach Höhlentouren fragen. Das ist jetzt nicht mehr erlaubt. „Seit einem schweren Bootsunfall bei Faro vor einigen Jahren müssen alle Anbieter von Grottenfahrten rechtmäßig angemeldet und versichert sein“, erklärt Kapitän Claudio Sousa vom Ausflugsbootveranstalter Algar Experience. Mehrstöckige Touristenboote, Katamarane und überdachte Jachten können oft nur bis vor die Höhleneingänge fahren. Daher lohnt es sich, nach kleinen, manövrierfähigen Booten Ausschau zu halten und vorher zu fragen, wann Gezeiten, Wetter und Uhrzeiten optimalen Grottenzugang bei idealen Sichtverhältnissen zulassen.
Eine der schönsten Grotten ist von dem Fischerdörfchen Benagil aus auch mit dem Kajak, Tretboot oder Paddleboard zu erreichen. Ein paar Mutige schwimmen sogar vom Dorfstrand hinüber, doch davon rät Steuermann Sousa dringend ab. „Bei den starken Strömungen und dem regen Bootsverkehr ist das sehr gefährlich“, warnt er. Ein Geheimtipp für Frühaufsteher ist der Traumstrand im Inneren der Höhle, der bei Sonnenaufgang meist menschenleer ist. Wer dort unter dem Millionen Jahre alten mächtigen Steingewölbe im Sand liegt und durch das Loch in der Decke in den Morgenhimmel schaut, muss nicht mehr fragen, warum die Grotte von den Einheimischen „Catedral“ genannt wird. Am stimmungsvollsten ist der Effekt zwischen 11 und 14 Uhr. Dann steht die Sonne fast senkrecht über der Felsöffnung, taucht die Naturkathedrale in orangefarbenes Licht und zaubert ein kreisrundes Spotlight auf den Sand. Kein Wunder, dass der steinerne Dom auch gern für Hochzeiten genutzt wird.
Die Grotte von Benagil ist ein beliebtes Ausflugsziel an der Algarve. Foto: Pia Hoffmann
Auch in den Felsen unter dem Leuchtturm von Alfanzina gibt es eine Höhle. Foto: Pia Hoffmann
Dieser Felsen trägt den Namen U-Boot. Foto: Pia Hoffmann
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In der „Gruta do Capitão“ ein paar Meilen weiter östlich scheint das Tageslicht gleich durch zwei Öffnungen auf den Strand. Die verborgene Grotte, die nur bei Ebbe und niedrigem Wellengang mit kleinen Booten zugänglich ist, diente im 12. Jahrhundert Schmugglern und Piraten als Versteck. Manche der kleinen Strände in den Höhlen und Felsbuchten stehen bei Flut komplett unter Wasser. Wer sich hier mit dem Boot absetzen lässt, sollte immer die Uhr im Blick haben. In der tiefsten Höhle der Algarve, 70 Meter unter dem Leuchtturm von Alfanzina, soll der Gesang einer Meerjungfrau zu hören sein. Der Legende nach wurden auf diese Weise bereits zahlreiche Boote in die Grotte gelockt, wo sie an den Felswänden zerschellten.
REISE-CHECK
Anreise: Hin und zurück mit Ryanair von Frankfurt-Hahn nach Faro ab 91 Euro, mit Lufthansa von Frankfurt nach Faro 557 Euro.
Unterkunft: Vila Channa, familiengeführte Pension mit Pool fußläufig zum Praia do São Rafael, DZ mit Frühstück ab 88 Euro p. P., www.vilachanna.pt. Hotel Baia Grande, fußläufig zum Praia da Coelha, DZ mit Frühstück ab 130 Euro p. P., www.hotelbaiagrande.com. Algar Seco Parque, Apartmentanlage mit Meerblick auf den Klippen am Boardwalk von Carvoeiro, circa 190 Euro, www.algarseco.com.
Ausflug: Bootsfahrt durch die Grottenwelt der Algarve, Algar Experience, www.algarexperience.com.
Tipp: Buchen Sie die Tour möglichst ab Armação de Pêra in Richtung Westen bis Lagos. Bei Touren ab Albufeira Marina gibt es in den ersten 30 Minuten nicht viel zu sehen.
Die furchige Karstlandschaft mit ihren deutlich erkennbaren geologischen Schichten entstand vor rund 24 bis 16 Millionen Jahren, als das Schmelzwasser der Eiszeiten Ablagerungen hinterließ. „Die Geschwindigkeit des Schmelzwassers bestimmte die Härte der jeweiligen Gesteinsschicht“, erläutert einer der erfahrensten portugiesischen Grottenführer, Christopher Shean. „Wo harte über sehr weichen Sedimenten lagen, brachen die weichen ein, und es entstanden Grotten. Eine ähnliche Höhlenlandschaft gibt es nur noch in Südaustralien.“ Zwischen Faro und Albufeira besteht die Küste noch vornehmlich aus langen, flachen Sandstränden, vorgelagerten Sandbänken und Kalk- sowie Sandsteinklippen, die wegen ihres Eisenoxidgehalts knallrot leuchten. Erst westlich von Sao Rafael beginnt die eigentliche Felsalgarve. Die schönsten Grotten liegen daher zwischen Armação de Pêra und Lagos.
Mit dem Wasser wird Säure kontinuierlich durch den Stein gefiltert, die reihenweise Löcher in die alkalischen Schichten frisst. Mit ihrer Zerstörungswut modelliert die Natur den Stein aber auch zu faszinierenden Skulpturen. Besonders imposant wirken zwei Steinarkaden am Praia da Marinha, die aussehen, als würde ein Elefant seinen Rüssel ins Meer hängen. Um ihn herum ragen frei stehende Steintürme wie Pilze aus dem Wasser.
Vor der als „Paris Cave“ bekannten Höhle erhebt sich ein Felsentor, das dem Pariser Triumphbogen ähnelt. „Es erinnert auch an das ‚Blaue Fenster‘, das Wahrzeichen der maltesischen Insel Gozo, das 2017 während eines Sturms einstürzte“, sagt Christopher Shean. „Jetzt gibt es das nur noch hier in Portugal.“ Wie lange noch, ist fraglich, denn Wind und Wasser nagen weiter an der Steinwelt der Algarve und lassen dabei immer wieder neue geheimnisvolle Gebilde entstehen.