Samstag,
24.08.2019 - 00:00
3 min
Expeditionskreuzfahrt durch die Inselwelt Spitzbergens
Von Marc Vorsatz

Ganz nah geht es mit dem Schlauchboot an die Spitze des Eisbergs heran, dessen größter Teil unter der Wasseroberfläche liegt. (Foto: Marc Vorsatz)
Endlich! Ein lang gehegter Kindheitstraum wird wahr. Nun stehe ich also an der Reling der MS Spitsbergen und kann meinen Augen kaum trauen: mein erster Eisbär in freier Wildbahn. Und das kurz nach Mitternacht bei gleißendem Sonnenlicht, nur zwei Tage nach der Einschiffung in Spitzbergen und knapp 40 Jahre nach meinem Traum! Wie geschmeidig sich dieser Bursche entlang der Eiskante bewegt. Wie unglaublich schnell der Räuber ist. Dabei hat er gerade mal den langsamen Spaziergang eingelegt. An die 400 Kilo wird der Ursus maritimus auf den Rippen haben – ein Teenager also noch. Eisbären sind weltweit die größten an Land lebenden Fleischfresser.
Eine nie da gewesene Hatz auf den Grönlandwal
Die ersten Nächte an Bord sind für die meisten Passagiere recht gewöhnungsbedürftig und kurz. Die Mitternachtssonne bringt den Biorhythmus heftig aus dem Takt. Vier Monate im Jahr, von April bis August, geht sie in Svalbard – so der formelle norwegische Name für Spitzbergen – gar nicht mehr unter. Zur Sonnenwende Ende Juni steht sie nahezu wie angenagelt Tag und Nacht am stahlblauen Firmament. Oder sie versteckt sich hinter einer undurchdringlichen, grauen Wolkendecke.
Unser Expeditionsschiff passiert das vorgelagerte Prinz Karls Fortland und lässt Ny-Ålesund, die nördlichste ständig bewohnte Ansiedlung mit dem legendären nördlichsten Postamt der Welt, hinter sich. Hier an der Westküste versteht der Besucher, warum Willem Barents die von ihm entdeckte arktische Inselwelt vor 400 Jahren Spitzbergen taufte. Hunderte, wenn nicht gar Tausende eisbedeckte Berge recken sich in den strahlend blauen Himmel. Es ist ein überwältigendes Panorama grandioser menschenleerer Natur. Der höchste Gipfel, der Newtontoppen in Ny Friesland, misst immerhin stolze 1713 Meter. „Überall Gletscher und Schnee und Eis zwischen den Gipfeln, und mächtige Moränen nach dem Fjord. Das sind die Urkräfte selbst in ihrer Entfaltung, Wasser und Stein, Schwere und Frost“, hielt der Arktisforscher und Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen vor über 100 Jahren in seinem Reisetagebuch fest.
Zum Frühstück ankert unser Expeditionsschiff im Naturschutzgebiet Nordost Spitzbergen. Dann geht es mit den Zodiacs, den Schlauchbooten, zum ersten Landgang in die „Speckstadt“ Smeerenburg. Sie zählt zu den geschichtsträchtigsten Orten der gesamten Hohen Arktis. Die alte holländische Walfangstation wurde 1620 gegründet. Also bereits kurz nachdem die Überlebenden der ersten Spitzbergen-Expedition unter Willem Barents heimkamen, um die Kunde von einem schier unerschöpflichen Reichtum an Grönlandwalen nach Europa zu tragen. Die emporstrebenden Städte des Alten Kontinents gierten nach Lampen-Öl, Seife und Schmiermittel. All das wurde aus dem eingekochten Walspeck hergestellt. So begann eine bis dahin nie da gewesene Hatz auf den Grönlandwal, die fast zu seiner Ausrottung führte. Ganze Fjorde färbten sich dann blutrot. Noch heute zeugen die Reste der Tranöfen, Häuser und Seemannsgräber von dieser kurzen Epoche. Denn schon um 1660 war der Walbestand derart dezimiert, dass die Jagd unrentabel wurde. Man überließ Smeerenburg einfach sich selbst.
REISE-CHECK
Anreise: Täglich ab Frankfurt über Oslo mit SAS nach Longyearbyen / Spitzbergen. Preis ab circa 480 Euro hin und zurück, www.flysas.com. Alternativ mit Lufthansa nach Oslo und weiter mit SAS nach Spitzbergen ab circa 650 Euro, www.lufthansa.com.
Angebote: Campen und Wandern: Zu Fuß durch die größte arktische Wildnis Europas, geschlafen wird in Zelten, auch bei Minusgraden. 15 Tage inkl. Flug, Campingausrüstung, VP, Guides, ab 2528 Euro bei Hauser Exkursionen, www.hauser-exkursionen.de.
Expeditionskreuzfahrt: Komfortabel auf der MS Spitsbergen, Außenkabine, 15 Tage inkl. Flug, VP, Landgängen, Vorträgen, wetterfestem Parka ab 6850 Euro bei Geoplan Privatreisen, www.geoplan-reisen.de.
Kleidung und Sicherheit: Wasser- und winddichte Hose und Jacke mitnehmen, dazu lange Funktionsunterwäsche, Handschuhe und warmes Schuhwerk. Sonnenbrille und Sonnencreme nicht vergessen. Während der Landausflüge sind die Guides bewaffnet.
Literatur: Der Arktisforscher, Autor und Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen über seine legendäre Polarexpedition 1893 bis 1896 mit der Fram: In Nacht und Eis, 2018, Edition Erdmann, 24 Euro, www.verlagshaus-roemerweg.de.
Nützliche Links:
Allgemeine Infos : www.visitnorway.de
Infos Spitzbergen: www.spitzbergen.de
Eisbären-Schutz: www.wwf.de
Angebote: Campen und Wandern: Zu Fuß durch die größte arktische Wildnis Europas, geschlafen wird in Zelten, auch bei Minusgraden. 15 Tage inkl. Flug, Campingausrüstung, VP, Guides, ab 2528 Euro bei Hauser Exkursionen, www.hauser-exkursionen.de.
Expeditionskreuzfahrt: Komfortabel auf der MS Spitsbergen, Außenkabine, 15 Tage inkl. Flug, VP, Landgängen, Vorträgen, wetterfestem Parka ab 6850 Euro bei Geoplan Privatreisen, www.geoplan-reisen.de.
Kleidung und Sicherheit: Wasser- und winddichte Hose und Jacke mitnehmen, dazu lange Funktionsunterwäsche, Handschuhe und warmes Schuhwerk. Sonnenbrille und Sonnencreme nicht vergessen. Während der Landausflüge sind die Guides bewaffnet.
Literatur: Der Arktisforscher, Autor und Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen über seine legendäre Polarexpedition 1893 bis 1896 mit der Fram: In Nacht und Eis, 2018, Edition Erdmann, 24 Euro, www.verlagshaus-roemerweg.de.
Nützliche Links:
Allgemeine Infos : www.visitnorway.de
Infos Spitzbergen: www.spitzbergen.de
Eisbären-Schutz: www.wwf.de
Dies gilt natürlich nicht für die Passagiere einer Kreuzfahrtexpedition. Die Guides sichern die Landgänger mit großkalibrigen Gewehren, geladen mit abschreckenden Signalpatronen und – für den Notfall – auch mit scharfer Munition. Spitzbergen ist „Polar Bear Country“, das Tragen von Waffen außerhalb der wenigen Ortschaften ist Gesetz. Im Augenblick tankt jedoch lediglich ein schwergewichtiges Walross Sonne auf einer Eisscholle bei hochsommerlichen Temperaturen von knapp über null Grad. Scharf geschossen wird trotzdem, aber nur mit großkalibrigen Kameras.
Unsere eisgeschützte Spitsbergen hat indes längst wieder Kurs Richtung Norden genommen. Draußen ziehen zwei majestätische Finnwale ihre Bahn, als ob sie die Besucher aus der fernen Welt eskortieren wollten. Die Walross-Insel Moffen ist das nächste Etappenziel. Sie liegt genau 80 Grad nördlicher Breite. Mit anderen Worten, von hier sind es nur noch 10 Grad oder 600 Seemeilen bis zum Nordpol. Zu Fridtjof Nansens Zeiten befand sich die flache Insel meist ganzjährig im festen Würgegriff des Eises. Heute muss man noch einen halben Tag nordwärts fahren, bis man das vermeintlich ewige Eis erreicht. Denn nirgends vollzieht sich der Klimawandel dramatischer als an der Nordkappe unseres Planeten. Das Packeis hat sich in den vergangenen Jahrzehnten im Sommer in einem Rekordtempo zurückgezogen. Die Zukunftschancen für Spitzbergens Eisbären stehen schlecht. Manchmal sollte man nicht ewig warten, die Träume seiner Kindheit zu leben.