Beim Hausbootfahren sitzt man gemeinsam an Deck – manchmal auch ganz vorne am Bug. Foto: Conny Haas
( Foto: Conny Haas)
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Hausbootfahren ist wie Autofahren – nur viel einfacher. So ist es auf der Internetseite von „Le Boat“ zu lesen. Aus dem Slogan ließe sich problemlos eine ganze Kampagne machen „nur viel interessanter“, „nur viel entspannter“, „nur viel familienfreundlicher“...
Das Plätschern von Wasser entspannt, es lässt die kleinen und großen Sorgen zumindest zeitweise in den Hintergrund treten. Im stressigen Büroalltag kommt die Hausboot-Reise deshalb zur richtigen Zeit. Als eigener Kapitän auf den Wasserwegen der südlichen Bretagne mit Besuch der Orte Guipry, Langnon, Beslé und La Gacilly – ja, das ist genau das Richtige.
Von Mainz aus geht es mit dem Zug nach Frankfurt und mit Air France über Paris nach Rennes. Schon im Flugzeug werden wir mit bretonischem Gebäck begrüßt. Sehr lecker. Knapp eine Stunde nach Ankunft in Rennes beziehen wir unsere Kabinen auf dem Hausboot in der Basis in Messac. „Leinen los“ heißt es dann aber erst mal noch nicht.
Beim Hausbootfahren sitzt man gemeinsam an Deck – manchmal auch ganz vorne am Bug. Foto: Conny Haas Foto: Conny Haas
In Redon endet die Bootstour. Die kleine Gemeinde liegt an der Einmündung des Flusses Oust in die Vilaine. Foto: Conny Haas Foto: Conny Haas
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Die „Grand Classique“ gehört mit 14,63 Metern Länge zu den größten Booten der Le Boat-Flotte. Mit fünf Kabinen und drei Badezimmern bietet sie laut Katalog zehn Personen Platz. Für einen Junggesellen-Abschied mag das ausreichen, wenn hier zwei bis drei Familien entspannt Urlaub machen wollen, dürfte es eng werden.
Meine (Zweibett-)Kabine ist komfortabel, ein breites Bett, und genügend Stauraum fürs Gepäck – sofern man dem Rat gefolgt ist, keinen Hartschalenkoffer mit aufs Boot gebracht und die Highheels zu Hause gelassen hat. Beides braucht man definitiv nicht. Das Leben an Bord und die malerischen Dörfer entlang der Flüsse und Kanäle sind viel zu entspannt, als dass man sich nach Abendgarderobe und Stöckelschuhen sehnt.
INFORMATIONEN
Anreise: Flüge ab Frankfurt mit Air France über Paris nach Rennes ab 356 Euro hin und zurück. Mit der Bahn von Mainz über Mannheim und Paris nach Rennes in etwa 7,5 Stunden. Sparpreis ab 100 Euro pro Strecke (Normalpreis 220 Euro). Rund 900 Kilometer und eine reine Fahrzeit von acht Stunden sind es mit dem Auto.
Hausbootvermietung: Chartermiete Bretagne pro Boot / Woche zum Beispiel: Grand Classique (10+2 Personen) ab 2 105 Euro. Clipper (4+2 Personen) ab 1 515 Euro. Cirrus (2+2 Personen) ab 850 Euro. Die Betriebskosten pro Stunde werden nach Verbrauch berechnet, je nach Boot in der Bretagne zwischen 6 und 8 Euro. Haftungsausschluss im Schadensfall (optional, alternativ kann eine Kaution hinterlegt werden) je nach Boot zwischen 105 und 182 Euro / Woche. Optional sind Extras wie zum Beispiel Endreinigung, Räder, Sitzkissen, Grill. Buchung unter Le Boat, Theodor-Heuss-Str. 53-63, 61118 Bad Vilbel, 06101-5 57 91 12, www.leboat.de.
Restaurants: Restaurant Les Enfants Gat’Thés, 24 Rue de la Fayette, 56200 La Gacilly, www.lesenfantsgatthes.com oder Crêperie Akè, 10 Rue du Jeu de Paume, 35600 Redon, www.creperieakene.com.
Auskunft: Französische Zentrale für Tourismus, www.france.fr.
Verzichten muss man dennoch auf nichts. Die kleine Küche ist mit allem ausgestattet, was man braucht. Und wer nicht selbst kochen möchte, kann sich in den Cafés und Restaurants entlang der Strecke verwöhnen lassen. Das Angebot auf der Route nach Redon ist zwar klein, aber fein.
Bevor die Fahrt auf den Flüssen Vilaine, Aff und Oust beginnt, findet eine Einweisung durch erfahrene Bootsleute statt. Das Wichtigste: Eine Bremse gibt es nicht. Es geht nur vorwärts oder rückwärts – langsam oder nicht ganz so langsam. Die Boote erreichen eine Geschwindigkeit von etwa zwölf Stundenkilometern – genau richtig, um die Landschaft zu genießen.
Am ersten Tag steuern die meisten noch im Zickzackkurs übers Wasser, verwechseln Leerlauf und Rückwärtsgang, aber das legt sich schnell. Vor allem bei denen, die die Landessprache beherrschen oder gut Englisch können. Die Einweiser an der Basis in Messac sprechen nämlich kein Deutsch. Es ist also von Vorteil, sich das deutsche Kapitänshandbuch bereits zu Hause von der Internetseite runterzuladen. Dort erfährt man unter anderem, dass man vor dem Ablegen vom Kai die Windrichtung und die Strömung beobachten muss. „Wenn das Boot frontal zur Windrichtung oder Strömung liegt, machen Sie zuerst die Bugleine los. Drehen Sie den Bug zur Mitte des Flusses und legen Sie dann den Vorwärtsgang ein.“
Alles verstanden? Dann steht einer unbeschwerten Fahrt nichts mehr im Weg. Bei der ersten Schleuse, nur ein paar Meter hinter der Basis, bekommen Hausbootneulinge noch Hilfe von den Le Boat-Mitarbeitern. Und das ist gut so. Das Schleusen ist für Ungeübte eine Herausforderung, auch wenn man in der Bretagne stets eine helfende Hand findet, die mit anpackt.
Ist die Hürde „Schleuse“ geschafft, steht der Entschleunigung nichts mehr im Weg. Die Landschaft ist sanft, die Ufer sind naturbelassen. Überall können Enten, Gänse, Reiher oder auch Kühe bewundert werden. Fast hat man das Gefühl, die Tiere rufen einem ein fröhliches „Gute Fahrt“ zu.
Egal wie gut oder schlecht das Wetter auch ist: Beim Hausbootfahren sitzt man gemeinsam an Deck – zum Reden, zum Lesen, zum Singen, aber auch zum gemeinsamen Schweigen. An den Ufern der Vilaine kann man Salzspeicher und alte Festungsplätze entdecken. Das leise Tuckern des Motors wird nur ab und an durch Fahrradfahrer unterbrochen. Entlang des insgesamt 600 Kilometer langen Netzes an Flüssen und Kanälen der Bretagne, die von mittelalterlichen Ortschaften und märchenhaften Schlössern gesäumt sind, gibt es stets Fahrradwege.
Gerade für Familien ist das ideal: Papa und Mama steuern das Hausboot in den nächsten Hafen und Oma und Opa fahren mit den Kindern mit dem Fahrrad nebenher. Es gibt zahlreiche Anlegestellen mit Kinderspielplatz. Vorab buchen kann man selten.
Die meisten Anlegeplätze verfügen über Toilette und Dusche – beides sollte man nutzen. Die Flotte von Le Boat ist zwar mit modernen Sanitäranlagen und Tanks ausgestattet, weil es in ganz Frankreich aber keine Entsorgungsstationen gibt, muss alles direkt in den Fluss abgeleitet werden. Baden ist in den Kanälen deshalb nicht zu empfehlen. Das Vergnügen an Bord trübt diese Tatsache nicht.
Ein Highlight der Bretagne ist das größte Open Air Fotofestival, das noch bis zum 30. September in La Gacilly stattfindet. Hunderte großformatige Fotografien werden an den granitenen Häuserfassaden des idyllischen 2 000-Einwohner-Dorfes ausgestellt. Ethik und Nachhaltigkeit, Mensch und Natur stehen im Mittelpunkt des Festivals. Dabei vermischen sich Kunst und Fotojournalismus. Thema 2016 sind unsere Weltmeere, Gastland ist Japan. Die sommerliche Freiluft-Kunstgalerie lockt jedes Jahr mehr als 300 000 Besucher an.
Ins Leben gerufen wurde das Fotofestival 2003 von Yves Rochers Sohn Jacques. Die bekannte Kosmetikmarke hat heute noch ihren Sitz und eine Produktionsstätte in dem bretonischen Dorf am Fluss Aff. Besucher können im botanischen Garten eine einzigartige Sammlung mit mehr als 1 000 Pflanzenarten besichtigen sowie im Wellness-Hotel „La Grée des Landes Yves Rocher“ übernachten.
Besonders beliebt bei Kindern ist der Kletterpark „Escapades Verticales“ in Saint-Vincent-sur Oust. Der Kletterpark hat allerdings nur im Juli und August täglich geöffnet. Im April, Mai, Juni und September nur sonntags. Genießer kommen in der Bretagne auf ihre Kosten. Galettes und Crêpes gibt es hier in unzähligen Variationen. Ein Klassiker unter den bretonischen Spezialitäten sind „Caramel au beurre salé“. Das sind süße Karamellbonbons, die unter Verwendung von gesalzener Butter hergestellt werden. Nicht zu vergessen die Macarons. Das ist zwar allgemein eine französische Spezialität, aber mit Caramel au beurre gefüllt, schmecken sie besonders lecker.
Abwechslung ist in der Bretagne also garantiert – und für die nötige Entschleunigung sorgt das Hausboot.