Samstag,
14.09.2019 - 00:00
4 min
Historisches Pflaster: Das Kalkstein-Städchen Labro
Von Claudia Diemar

Blick auf die Gemeinde Labro aus der Ferne. (Foto: Claudia Diemar)
Mehr als tausend Jahre ist Labro alt, doch von Verfall keine Spur. Vergoldet vom letzten Licht thront das Dorf auf dem Hügel – eine Huldigung an die Vertikale. Die Bruchsteinhäuser sind aufgetürmt, als hätte ein Riesenkind mit Sorgfalt seine Bauklötze gesetzt. Das Castello Baronale mit seinen schmucken Zinnen stammt aus dem 10. Jahrhundert, dem tiefsten Mittelalter also.
„Labro ist mein Lebenswerk“, sagt Yvan Van Mossevelde. Der im belgischen Gent gebürtige Architekt ist spezialisiert auf Renovierungen historischer Bausubstanz. Doch kein Ort in Europa hat ihn so fasziniert wie Labro. Als junger Mann kam er 1968 hierher, war überwältigt von der „totalen Homogenität“ der Bausubstanz, stellte örtliche Handwerker ein, um das fast verlassene Ensemble zu erhalten. „Die Gassen, die Fassaden, das Pflaster – alles ist aus Kalkstein. Kein Zierrat, kein Protz, nur die Konzentration auf den Stein, der am frühen Morgen bläulich leuchtet, im Mittagslicht wie Elfenbein glänzt und in der Abendsonne zu glühen scheint“, so der Architekt. Er weist auch gleich darauf hin, dass die uralten Häuser durchaus erdbebensicher sind: „Ihre Tragbalken durchziehen die gesamten 70 Zentimeter dicken Außenmauern“.
Labro hat heute nur noch wenige feste Bewohner, aber man kann hier gut übernachten. Anne Van Mossevelde, die Frau des Architekten, führt das Albergo Diffuso Crispolti, ein „zerstreutes Hotel“ also. Was im Deutschen seltsam klingen mag, meint in Italien ein Konzept zur Wiederbelegung alter Dörfer. In deren Mauern liegen die Unterkünfte eben verstreut in verschiedenen Anwesen, aber immer in unmittelbarer Nähe des Haupthauses mit Rezeption und Speisesaal.
INFORMATIONEN
Anreise: Nonstop nach Rom mit Lufthansa von Frankfurt ab circa 90 Euro pro Strecke inkl. Gepäckstück, www.lufthansa.de.
Unterkunft: Agriturismo Le Mole sul Farfa bei Mompeo, DZ mit Frühstück 90 Euro mit HP 160 Euro, www.lemolesulfarfa.com. Albergo Diffuso Crispolti in Labro, DZ mit Frühstück 90 bis 200 Euro, www.albergodiffusocrispolti.com. Biobauernhof Il Fienile D’Orazio bei Monte San Giovanni in Sabina, DZ mit Frühstück 80 Euro, mit HP 110 bis 120 Euro, www.fienilediorazio.it
Pauschalreise: Hauser-Exkursionen bietet eine 11-tägige Reise „Zu Fuß von Assisi nach Rom“ ab 2045 Euro pro Person (mit Flügen, Unterkunft / Halbpension, und Begleitung durch Giovanni Nori), www.hauser-exkursionen.de
Auskunft: www.italia.it/de; www.visitlazio.com.
Unterkunft: Agriturismo Le Mole sul Farfa bei Mompeo, DZ mit Frühstück 90 Euro mit HP 160 Euro, www.lemolesulfarfa.com. Albergo Diffuso Crispolti in Labro, DZ mit Frühstück 90 bis 200 Euro, www.albergodiffusocrispolti.com. Biobauernhof Il Fienile D’Orazio bei Monte San Giovanni in Sabina, DZ mit Frühstück 80 Euro, mit HP 110 bis 120 Euro, www.fienilediorazio.it
Pauschalreise: Hauser-Exkursionen bietet eine 11-tägige Reise „Zu Fuß von Assisi nach Rom“ ab 2045 Euro pro Person (mit Flügen, Unterkunft / Halbpension, und Begleitung durch Giovanni Nori), www.hauser-exkursionen.de
Auskunft: www.italia.it/de; www.visitlazio.com.
Rund 100 Kilometer nördlich von Rom findet sich dieses Kleinod eines Dorfes in der Provinz Latium. Wir würden gern noch bleiben, wie die Katzen auf und ab durch die Gassen streifen. Aber Giovanni Nori mahnt zum Aufbruch. Der in Frankfurt am Main aufgewachsene Wanderguide will mit uns nach Greccio, zu jenem Kloster, in dem der Heilige Franziskus in der Weihnachtsnacht 1223 die erste Krippe aufbaute. Mit lebenden Tieren und Bauern als Darstellern ließ er Christi Geburt inszenieren, damit das einfache Volk das Wunder erfassen konnte. Pater Ezio führt die Besucher durch die am Fels klebende Anlage, zeigt die Fresken mit der stillenden Madonna in der Grotte und den gerissenen Felsblock, der dem Heiligen als Schlafstatt gedient haben soll.
Weiterführende Links
Latium, auf Italienisch Lazio, ist das Kernland der alten Römer ebenso wie die Heimat tiefer mittelalterlicher Religiosität. Valle Santa, also „Heiliges Tal“ nennt sich die Hochebene, die von vier Klöstern umstanden ist. Die Weitwanderwege in der Umgebung folgen den Spuren des Franz von Assisi und des Heiligen Benedikt. Gelb-blau gehalten sind die Markierungen des von der Provinzverwaltung ausgewiesenen Cammino di Francesco nel Lazio. Leider verlaufen weite Teile davon auf Asphalt. „Dieser Umstand ist auf Druck der örtlichen Gemeinden entstanden, die die Wanderer direkt zu ihren Hotels und Restaurants führen wollten“, so Bergführer Giovanni Nori, „doch solche Routen sind nichts für Menschen, die die Natur erleben wollen“. Nori suchte daher einen Pfadfinder und fand diesen in seinem Freund Stefano Fassano. Jahrelang arbeitete dieser in Kooperation mit dem italienischen Alpenverein an einer alternativen Streckenführung, brachte die rot-weißen Wegzeichen an und gab schließlich eine Wanderkarte heraus, mit der Individualreisende problemlos die Gegend durchstreifen können.
Stefano Fassano führt zusammen mit seiner Frau Elisabeth den Agroturismo Le Mole sul Farfa bei Mompeo. Sechs Gästezimmer bietet das Landhaus. Ein Pool und die exzellente vegetarische Küche machen das Angebot für Aktivurlauber perfekt. Stefano begleitet seine Gäste auch bei Wandertouren, etwa hinunter in die kühle Farfa-Schlucht mit der mittelalterlichen Brücke und den Ruinen einer Wassermühle. Oder hinauf in seinen Olivenhain, dessen Unterholz durch eine Herde von Eseln kurz gehalten wird. Manche der Ölbäume sind über 1000 Jahre alt. „Jeder der knorrigen Stämme ist für mich eine Skulptur“, so Stefano. Dass auf seinem Land schon in der Antike Olivenöl gewonnen wurde, kann er den Gästen zeigen. Die Ruinen eines römischen Bauernguts hat er nach und nach auf seinem Grund freigelegt. Die steinernen Becken, in denen die gepressten Oliven bearbeitet wurden, sind ebenso wie ein tiefer Brunnen bestens erhalten.
Dicke Eisenklammern als Erdbebenschutz
Vor den alten „Lateinern“ siedelten in der Gegend schon die Sabiner, deren Frauen die Römer bekanntlich raubten. Uralte Dörfer halten auf den Hügeln der Sabiner Berge Wache. Auch sie gehören zu den Ausläufern des Apennins, der sich als felsiges Rückgrat durch weite Teile Italiens zieht. Montenero Sabino etwa balanciert auf schmalem Grat. Zwischen Kastell und Kirche verläuft die Via Roma als einzige Straße. Gardinen wehen als Sonnenschutz vor den offenen Hauseingängen. Wenn Stimmen zu hören sind, schaut man hinaus. Selbst Fremde werden freundlich begrüßt.
Am Benediktinerkloster Abbazia di Santa Maria di Farfa bemerken aufmerksame Betrachter die Erdbebensicherung, die auch bei historischen Gebäuden funktioniert. Dicke Eisenklammern sind in Abständen in die Fassade gesetzt, um die Mauern im Notfall zusammenzuhalten. Vom kleinen Dorf vor dem Klosterkomplex geht es zur letzten Wanderung, die den Monte San Martino überquert. In azurnem Dunst liegt Rom voraus. Die Kuppel des Petersdoms drückt sich wie ein Zuckerhut aus der pastellenen Silhouette der ewigen Stadt. Dann geht es hinunter nach Fara in Sabina. Das örtliche Museum beeindruckt mit einem aus Keramik gefügten Thron der Sabiner aus dem 6. Jahrhundert vor Christus. Gegenüber duftet es verführerisch aus der Holzofenbäckerei Forno a Legna. Loredana Mazzocchi stellt den Brotschieber weg und lässt die Wanderer köstliches Gebäck als letzte Wegzehrung probieren. „Ihr lieben Leut’, bleibt mir gesund“, verabschiedet sich Wanderführer Giovanni von seinen Gästen. Es kommt von Herzen.