Ende Juli starten die ersten Hochsee-Kreuzfahrtschiffe seit dem weltweiten Corona-Lockdown. Es gibt aber keine Hafenstopps mit Landgängen, denn die meisten Häfen sind noch zu.
. Kreuzfahrtfans jubeln, denn seit Ende Juni fährt das erste Hochseeschiff nach dem weltweiten Lockdown wieder: Am 26. Juni ist die Fridtjof Nansen von Hamburg aus erstmals wieder mit deutschen Passagieren in See gestochen. Was die Reedereien jetzt anbieten, sind erste Gehversuche. Aida, Tui Cruises und Hapag-Lloyd Cruises haben sich mit den deutschen Behörden auf grundsätzliche Regeln für Kreuzfahrten in Coronazeiten geeinigt. Sie wollen ab Ende Juli mit einigen Kreuzfahrtschiffen wieder an den Start gehen. Gefahren wird von Hamburg aus, Aida startet mit je einem Schiff auch ab Kiel und Warnemünde.
Je nach Sichtweise haben diese Kurz-Kreuzfahrten allerdings einen Haken: Es gibt keine Hafenstopps. Die Schiffe sind lediglich ein paar Tage auf See, die Passagiere genießen das Bordleben und lassen den Blick über den Horizont streifen. Wer diese Art von Entspannung sucht oder unbedingt so schnell wie möglich wieder aufs Meer will, verbringt ein paar Tage an Bord, ganz ohne Landgangstress.
Ebenfalls nur auf See verbringen die Passagiere des Luxusschiffs Europa 2 und des edlen Expeditionskreuzfahrtschiffs Hanseatic Inspiration von Hapag-Lloyd Cruises ihre Zeit bei den ersten Reisen. Doch die kleinen Schiffe können in norwegische Fjorde einlaufen oder den Nord-Ostsee-Kanal passieren und so auch einiges zum Anschauen bieten.
Es ist ein sehr verhaltener Neustart. Der größte Teil der über 400 Hochseekreuzfahrtschiffe weltweit wird diesen Sommer weiter stillstehen. Denn auch wenn sich Europa für Touristen gerade wieder öffnet, bleiben die Häfen fast überall geschlossen. Von Kopenhagen bis Barcelona geht nichts und in den USA gilt bis mindestens 15. September ausdrücklich Kreuzfahrtverbot.
Damit ein Kreuzfahrtschiff fahren kann, ist eine komplizierte Logistik-Maschinerie im Hintergrund nötig, bei der jedes einzelne Zahnrad im Getriebe fehlerfrei laufen muss. In Zeiten des Coronavirus sind viele dieser Elemente einer Reise aber sehr unberechenbar.
In jedem Land gilt es, unterschiedliche Hygienevorschriften einzuhalten, die sich noch dazu ständig ändern. Vereinbarungen mit Behörden über die Aufnahme von Kranken im Fall einer Infektion müssen getroffen werden. Genehmigungsverfahren, die normalerweise Routine sind, werden zu zeitaufwendigen Projekten. Das wohl größte Problem sind Reisebeschränkungen. Sie machen es vor allem für Crewmitglieder schwierig, die etwa aus Indien oder von den Philippinen stammen, überhaupt auf das Schiff zu kommen.
Da haben es regionale Reedereien mit kleinen Schiffen und oft regionaler Crew leichter: Die griechische Variety Cruises will ab Ende Juli mit dem Segelschiff Galileo in der Ägäis fahren, Sailing Classics mit der Segeljacht Rhea ist schon seit Ende Juni an der italienischen Amalfiküste unterwegs. Theoretisch sind auch Fernreisen zu Kreuzfahrtschiffen wieder möglich – mit Paul Gauguin Cruises oder der Aranui 5 in Französisch Polynesien sowie mit UnCruise Adventures in Alaska. Für Deutsche scheitern solche Ziele aber in der Regel an fehlenden Flugverbindungen.
Leichter tut sich die Flusskreuzfahrt. Die Schiffe sind hier viel kleiner, eher schwimmende Hotels und nie weit vom nächsten Hafen entfernt. Zumeist sind sie in nur einem Land unterwegs, was den Umgang mit Vorschriften und behördlichen Genehmigungen einfacher macht. Auf Donau und Rhein sowie am portugiesischen Douro fahren bereits wieder einige Schiffe, beispielsweise Plantours, Nicko und A-Rosa. Die Mehrzahl der Anbieter hat den Betrieb in kleinem Umfang wieder aufgenommen. Darunter sind so attraktive Routen wie bei der MS Sans Souci von Plantours ab Stralsund nach Hiddensee, am Rande der Ostsee nach Stettin, über die Oder und Havel nach Berlin. Auf der Loire, Seine, Rhône und Saône in Frankreich dürfen Flusskreuzfahrtschiffe ab Mitte Juli fahren.
Die große Frage für Kreuzfahrt-Urlauber ist: Wann geht es denn so richtig wieder los? Für Kreuzfahrten im Spätsommer und Herbst schwanken die Passagiere zwischen Hoffen und Bangen – und das aus den unterschiedlichsten Gründen. Die einen sind ganz heiß darauf, so bald wie möglich wieder an der Reling eines Kreuzfahrtschiffs zu stehen und mit einem Cocktail in der Hand den Sonnenuntergang zu genießen. Sie fürchten sich vor weiteren Absagen. Die anderen haben ihre Kreuzfahrt lange vor Beginn der Coronakrise gebucht und wollen jetzt eigentlich gar nicht reisen.
Dabei ist das Ansteckungsrisiko auf einem Kreuzfahrtschiff vermutlich nicht höher als an Land. Alle Reedereien haben die Hygienemaßnahmen deutlich hochgefahren. Sie desinfizieren und reinigen noch mehr als ohnehin schon. Sie belegen nur 50 bis 70 Prozent der Kabinen, damit die Passagiere Abstandsregeln wie an Land einhalten können. Auf den Flusskreuzfahrtschiffen liegt die tatsächliche Belegung aktuell sogar noch deutlich niedriger – weil sich zu wenige Urlauber trauen, jetzt schon zu buchen.
Dabei bietet sich aktuell die seltene Gelegenheit, selbst Top-Urlaubsziele nahezu ohne andere Touristen zu besuchen und eine besonders herzliche Gastfreundschaft der Einheimischen zu erleben, die dankbar sind für jeden Gast, der in diesen Zeiten etwas Geld mitbringt. Auf den Kreuzfahrtschiffen bleiben die Buffets geschlossen, Tische im Restaurant stehen weit auseinander, die Busse bei Landausflügen bleiben halb leer. Bei Crew und Passagieren wird regelmäßig kontaktlos Fieber gemessen, Gesundheitsfragen gestellt, gelegentlich sogar Covid-19-Tests durchgeführt oder verlangt.
Am meisten beschäftigt Passagiere aber die Frage nach dem Mundschutz. Die einen scheuen den Stoff vor Mund und Nase im Urlaub, die anderen wollen nur dann aufs Schiff, wenn alle ihn tragen müssen. Tatsächlich ist der Mundschutz auf Flusskreuzfahrtschiffen fast überall Pflicht, zumindest auf den Gängen oder an der Rezeption, aber nicht im Restaurant oder in der Lounge zur Kaffee- oder Cocktailstunde – und am Sonnendeck ohnehin nicht.
Gleiches gilt für die aktuellen Abfahrten bei Aida, Tui Cruises, Hapag-Lloyd Cruises und Ponant. Nur Hurtigruten macht eine Ausnahme, weil die norwegischen Behörden den Mundschutz als nicht nötig einstufen. Für internationale Hochsee-Kreuzfahrten haben bislang nur relativ wenige Reedereien wie NCL, Costa oder Princess Cruises detaillierte Hygienekonzepte veröffentlicht – sie alle fahren aktuell aber auch noch nicht. Auffällige Gemeinsamkeit dort: Von Mund-Nasen-Schutz ist nicht die Rede.
Von Franz Neumeier