Drei Titelträger in den eigenen Reihen - das macht stolz
Die Lilien Lucio Pungente, Dominik Wehnhardt und Ertugrul Sahin werden mit der ID-Hessenauswahl deutscher Meister. Das freut Trainer Ruben Döring - und ist ein Ansporn für alle.
Von Jan Felber
Sportredakteur
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DARMSTADT/COTTBUS - Es hört einfach nicht auf mit den Erfolgen: Die Hessenauswahl für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung hat in Cottbus die deutsche Meisterschaft gewonnen. Somit gelang die Verteidigung des Titels, der zuletzt 2019 ausgespielt worden war. Danach hatte Corona das Projekt für zwei Jahre ausgebremst.
Zur Auswahl gehörten mit Lucio Pungente, Dominik Wehnhardt und Ertugrul Sahin auch drei Spieler, die normalerweise das Trikot des SV Darmstadt 98 tragen. Und die dies immer voller Stolz tun - und damit mittlerweile zu einem kleinen Aushängeschild des Vereins geworden sind. Bei einem Turnier im September 2021 im heimischen Stadion am Böllenfalltor war das Team erstmals in einem größeren Rahmen aufgetreten, Hunderte Fans hatten die Mannschaft damals gefeiert. Es war ein unvergesslicher Tag gewesen für alle, die damals auf den "heiligen Rasen" gedurft hatten. Davon schwärmen sie heute noch,
"Ich habe mit den Jungs noch gar nicht gesprochen, wir sehen uns am Donnerstag erst wieder im Training", sagt Lilien-Trainer Ruben Döring. "Man freut sich natürlich darüber, dass man Spieler in der Hessenauswahl hat, und wenn dann so ein großes Turnier wie eine deutsche Meisterschaft kommt, dann wünscht man den Jungs dafür natürlich nur das Beste."
VORREITER SV 98
Der SV Darmstadt 98 ist der erste Profiklub in Deutschland, der eine Mannschaft für intellektuell beeinträchtigte Personen (Fußball-ID) bei sich integriert hat. Dafür haben die Lilien im Sommer 2021 eigens eine Behinderten- und Rehabilitations-Sportabteilung gegründet.
Um in der ID-Liga des Hessischen Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbands (HBRS) mitspielen zu können, muss nachgewiesen werden, dass die betreffenden Spieler tatsächlich eine intellektuelle Einschränkung besitzen. Erst dann erfolgt die Freigabe durch den Verband.
Er selbst war nicht groß beteiligt gewesen, die Hessenauswahl hatte sich in Wetzlar vorbereitet - dort ist nämlich das Leistungszentrum für Fußballer mit intellektueller Beeinträchtigung angesiedelt. Landestrainer ist Bruno Pasqualotto, und mit diesem konnte die Mannschaft den Sieg des mehrtägigen Turniers an Land ziehen, nachdem sie sich nach einer wahren Siegesserie vorzeitig für das Finale qualifiziert hatte. In diesem schlugen sie dann Niedersachsen - knapp mit 1:0. "Wenn man dann auch noch mitbekommt, dass zwei meiner Spieler in Cottbus Tore geschossen haben, dann ist man schon ein bisschen stolz", sagt Döring. "Weil es ja auch ein bisschen unsere Arbeit in Darmstadt bestätigt."
Einiges war anders gewesen in Cottbus, unter anderem wurde Elf gegen Elf gespielt, üblich ist meistens Sieben gegen Sieben oder Neun gegen Neun. Und auch taktisch wurde manches anders gemacht. "Der Landestrainer hat da schon verständlicherweise seine eigenen Ideen", weiß Döring. Der umso stolzer darauf ist, dass am Ende der Erfolg stand. "Es ist ziemlich cool zu wissen, dass man gleich drei Meister in seinen Reihen hat", sagt er, "und die anderen freuen sich auch total für sie. Da sagt sich manch einer: Das ist krass, das will ich auch schaffen."
Die Darmstädter ID-Mannschaft ist derweil ebenfalls alles andere als un-erfolgreich. Erst im Sommer 2021 gegründet, ist man aktuell ein bisschen in einer "Zwischenphase", wie Döring es bezeichnet. Bei den Hessenmeisterschaften am 18. Juni wurden die Lilien Erster und Dritter, danach ging es nach Berlin zu den Special Olympics. Sechs Spiele in sechs Tagen forderten dort ihren Tribut, "am Ende haben sich die Jungs und Mädels ein bisschen selbst geschlagen", gibt der Trainer zu. Er spricht von "einer guten Platzierung nach großer körperlicher Anstrengung", viel mehr Auskunft gibt er - verbunden mit einem Lachen - lieber nicht. Von Berlin reisten drei Spieler weiter ins nahe Cottbus, andere fuhren heim. Demnächst steht für alle der Hessenpokal in Wetzlar auf dem Programm, ein, zwei Turniere folgen danach noch. Solch ein großes Event wie im vergangenen September im Stadion ist aber vorerst nicht geplant.
Der sportliche Erfolg ist da, aber das soll nicht alles andere in den Schatten stellen. Das haben Döring und der SV 98 immer wieder betont, und sie meinen es auch so. Der Verein ist immer da für seine ID-Mannschaft, und wer am Anfang gedacht hat, dass dies ein bisschen zu Werbezwecken sein würde, der wurde schnell eines Besseren belehrt. "Der Verein unterstützt uns, wo er es nur kann", freut sich Döring, "das tut er finanziell und auf allen anderen Ebenen. Wenn man etwas braucht, ruft man einfach an, wenn ich eine Frage oder ein Anliegen habe, ebenfalls. Es wird einem wirklich immer geholfen."
Diese Unterstützung ist übrigens komplett unabhängig von Erfolgen. "Wir machen das hier nicht nur für Titel", gibt Döring als Devise aus. "Aber es ist schon schön, wenn man sieht, dass etwas funktioniert, dass etwas arbeitet." Letztlich seien Titel die Belohnung für viele Mühen. "Man merkt einfach, dass hier etwas dahintersteckt", sagt Döring.