Die Eintracht-Sensation: „Ein Abend voller Stolz“

aus Eintracht Frankfurt

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Frankfurts Mannschaft um Torwart Kevin Trapp feiert den 3:2-Sieg.  Foto: Arne Dedert/dp

„Solche Erlebnisse kannst du mit keinem Geld der Welt kaufen“, lautet das Fazit von Eintracht-Trainer Glasner. Nun wartet im Halbfinale West Ham United auf Frankfurt.

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BARCELONA. Sie wussten gar nicht wohin mit ihrer Freude. Die Spieler tollten über den Platz wie kleine Kinder, der Trainer platzte fast vor Stolz und die Offiziellen konnten wie die Fans kaum glauben, was sie da auf dem Rasen des legendären Camp Nou gerade gesehen hatte. Und zu Hause in Frankfurt fuhren sie um Mitternacht im Autokorso durch die Stadt. Die Frankfurter Eintracht hat mit einem 3:2 (2:0)-Sieg (Hinspiel 1:1) beim großen FC Barcelona tatsächlich das Halbfinale der Europa-League erreicht. Die Frankfurter hatten nicht nur vorher von einem „Jahrhundertspiel“ gesprochen, sie hatten dann auch eine Leistung gezeigt, die diesem Superlativ angemessen war.

„Einfach grandios“, sagte Trainer Oliver Glasner, „85 Minuten hat die Mannschaft den Plan fast perfekt umgesetzt.“ Torwart Kevin Trapp sprach von einem „Abend voller Stolz“ und übertrieb damit keineswegs. „Normalerweise bin ich nie sprachlos, aber heute schon“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Philip Holzer, „für unseren Klub war es historisch, für den deutschen Fußball haben wir eine tolle Visitenkarte abgegeben.“ Der Sportvorstand blickte schon bald nach vorne. „Sensationell, das ist ein einmaliges Ereignis“, sagte Markus Krösche, „jetzt wollen wir unbedingt ins Finale.“ Gegner im Halbfinale ist am 28. April in London und am 5. Mai in Frankfurt West Ham United.

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Eintracht über weite Strecken überragend

Die Frankfurter hatten über weite Strecken eine überragende Leistung geboten und bis zur 84. Minute mit 3:0 geführt. Filip Kostic zweimal und Rafael Borré hatten nur etwa die Hälfte der gut herausgespielten Chancen genutzt. Busquets und Memphis Depay per Strafstoß hatten Barca in der Nachspielzeit nochmal herangebracht. Zittern musste aber niemand mehr. „Der Schiedsrichter hat mir gesagt, der Elfmeter sei die letzte Aktion“, erzählte Trapp. Die Mannschaft mit dem Adler auf den Trikots hatte die beste Leistung der Saison genau zum richtigen Zeitpunkt gezeigt.

Gute Spieler hatte die Eintracht viele an diesem denkwürdigen Abend, schlecht war schon mal gar keiner, aber drei waren überragend. Für Martin Hinteregger und Sebastian Rode und Filip Kostic war das Spiel wie gemalt. „Hinti“ stand wie ein Fels in der Brandung, gewann gefühlt alle seine Zweikämpfe. Spielführer Rode war eine echter Kapitän, dirigierte das Spiel, schlug fantastische Diagonalpässe und lief solange ihn die Füße trugen. Und Kostic setzte den Zug schon in der 4.Minute mit einem sicher verwandelten Foulelfmeter (Garcia an Lindström) aufs richtige Gleis und traf zum 3:0 wie nur Kostic trifft, von halblinks ins lange Eck.

Große Spieler entscheiden große Spiele, so war das diesmal auch bei der Eintracht. Aber auch die anderen wuchsen über sich hinaus. Überraschend die starke Leistung von Almamy Touré, der zum ersten Mal in diesem Jahr von Beginn an spielte. Dessen Leistung könne man „gar nicht hoch genug einschätzen“, lobte Glasner. Ansgar Knauff rannte wie im Traum über den Platz, lebte seinen ganz persönlichen Traum. Vor ein paar Monaten hatte er noch in der Regionalliga gegen Wiedenbrück oder Rödinghausen gekickt, jetzt lief er im Camp Nou Jordi Alba davon. Vorne gelang Rafael Borré nach frustrierenden Wochen die Belohnung für nimmermüden Einsatz mit einem Traumtor.

Trainer Glasner zeigt sich beeindruckt

Der Trainer war der Architekt dieses nahezu perfekten Spiels. Er hatte die richtigen Personalentscheidungen getroffen, er hatte die richtige Taktik ausgetüftelt. „Wir haben ihnen den Ball gelassen, wo es uns nicht wehgetan hat“, erklärte er später. So spielte sich Barca einen „Wolf“ (75 Prozent Ballbesitz), kam aber bis zur absoluten Schlussphase nur selten gefährlich vors Tor. Dabei schickte Trainer Xavi nach Ousmane Dembele, Pierre-Emerick Aubameyang und Ferran Torres mit Luuk de Jong, Adama Traore und Memphis Depay später noch einen Starstürmer nach dem anderen auf den Platz. Aber sie alle zerschellten bis zur Nachspielzeit am Frankfurter Bollwerk vor dem starken Keeper Trapp. Klitzekleine Wermutstropfen: Evan Ndicka flog mit „Gelb-Rot“ vom Platz, wird beim Hinspiel in London fehlen. Genau wie Kristjan Jakic, der die dritte gelbe Karte im Wettbewerb sah.

Seitenhieb von Barcas Xavi sportlich gekontert

Den kleinen Seitenhieb des bitter enttäuschten Xavi, die Eintracht wäre weitergekommen wegen der Fehler von Barcelona, nahm Glasner sportlich und konterte. „Es waren unsere Stärken in beiden Spielen, die uns weitergebracht haben“, sagte er ganz cool. Sein Torwart pflichtete ihm bei. „Klar hatten wir auch das nötige Spielglück“, sagte Kevin Trapp, „aber wir haben uns das Halbfinale redlich verdient.“ Die Frankfurter haben in den letzten Jahren schon manch magische Nacht gefeiert, jene in Barcelona war nochmal eine Steigerung. Bei Schlusspfiff stürmten wirklich alle Frankfurter Spieler, Trainer, Betreuer auf den Platz, es war wie beim Pokalsieg 2018 gegen den FC Bayern.

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„Solche Erlebnisse kannst du mit keinem Geld der Welt kaufen“, sagte Glasner beeindruckt. In Wolfsburg hat er letztes Jahr den Werksverein bis in die Champions-League geführt, was aber nicht wirklich viele Emotionen hervorgerufen hatte. Der Erfolg mit der Eintracht, der Einzug ins Halbfinale der Europa-League, zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren, hat auch den 47 Jahre alten Österreicher auf eine neue Ebene seines beruflichen Wirkens geführt. Das machte er mit einem kurzen Blick zurück deutlich. „Hätte mir irgendjemand nach unserem Ausscheiden im Pokal in Mannheim im letzten August gesagt, dass wir ein gutes halbes Jahr später gegen Barcelona weiterkommen, ich hätte ihn für verrückt erklärt“, sagte er. Ein bisschen verrückt sind diese Frankfurter eben. Spätestens jetzt weiß das auch Glasner.

Von Peppi Schmitt