Wortpiratin: Wenn die 05-Fußballfamilie zusammenhält

aus Mainz 05

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Zweikampf mit einem Weltstar: Der 05er Herbert Scheller (rechts) stellt sich in einem Testspiel dem damaligen Bayern-Profi Lothar Matthäus in den Weg.
© imago/Alfred Harder

Der ehemalige 05er Herbert Scheller ist schwer erkrankt, seine Familie sammelt Spenden für seine Pflege. Das wirft auch ein grundsätzliches Thema auf, findet die Wortpiratin.

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Mainz. Es gibt im Fußball den wundervollen Spruch: „In den Farben getrennt, in der Sache vereint.“ Der kommt immer dann zum Tragen, wenn Fans verschiedener Vereine sich zusammen hinter eine Sache stellen, wenn sie für ein gemeinsames Ziel eintreten können. So ist das derzeit bei der schweren Krankheit des ehemaligen Spielers Herbert Scheller, die in dieser Woche auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden ist.

Scheller spielte in seiner Karriere gleich zweimal für den 1. FSV Mainz 05, trug aber neben der fußballerischen Anfangszeit bei seinem Heimatverein SV 1911 Gimbsheim später außerdem das Trikot des 1. FC Kaiserslautern und des TSV 1860 München. Mit Mainz 05 feierte Scheller unter anderem die Südwestmeisterschaft 1973 und die Deutsche Amateurmeisterschaft 1982. Bei den Löwen sind nicht zuletzt die Doppelpacks des torgefährlichen Verteidigers gegen den Rivalen Bayern München sowie seinen Ex-Club Kaiserslautern unvergessen.

Unter der Woche veröffentlichte die Familie des ehemaligen Profis nun einen Spendenaufruf. Im Dezember 2022 veränderte ein Glioblastom, also ein extrem bösartiger Gehirntumor, sein Leben. Scheller ist halbseitig gelähmt, nach einer Operation aber mittlerweile wieder zuhause – und das möchte seine Familie auch beibehalten. Dafür braucht sie Unterstützung.

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Eine Pflegekraft soll die professionell leisten, aber dafür fehlt Geld. Eine Mindestsumme von 7000 Euro hat seine Familie nun zunächst angepeilt, bis Donnerstagabend war bereits das Doppelte zusammengekommen und die Aktion läuft weiter. Die Fans seiner ehemaligen Clubs ebenso wie anderer Vereine spenden, verbreiten den Aufruf in den sozialen Netzwerken und wer Scheller erlebt hat, teilt unter Artikeln und in Foren Anekdoten aus seiner Spielerzeit.

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Zu deren Realität gehört auch, dass Fußball damals noch nicht jene abgehobene Blase war, als die wir ihn bezüglich der Finanzen inzwischen erleben. Und man muss die teilweise komplett überdrehten Bedingungen heute nicht gut finden, um anzuerkennen, dass eine Notsituation wie die bei Scheller dann finanziell kaum zu stemmen ist. Eine Besonderheit ist das leider nicht – auch andere Menschen ringen mit den niedrigen Zuzahlungen der Kassen darum, ihre neue Situation mit einer solchen Krankheit zu meistern. Schellers Familie hat durch seine Karriere im Sport aber die wichtige Möglichkeit, auf seine Situation aufmerksam zu machen.

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Zu sehen, wie die Fußballfamilie an mindestens drei Standorten zusammensteht, um ihrem ehemaligen Spieler, Idol und Mannschaftskameraden zu helfen, ist wohltuend. Viele aktuelle Entwicklungen im Fußball setzen falsche Schwerpunkte, weg von seinen Fans, von Regionen, in denen er verankert ist, zu noch mehr Einnahmen, Vermarktung, Investitionen. Die Frage, wie man den Sport weiter lieben kann, wenn das Business häufig so verachtenswert ist, stellen sich mittlerweile immer mehr Fans. Wie viele Tage muss ein Erstligaspieler zur Arbeit kommen für eine Summe, die für andere Menschen ein komplettes Leben verändern würde?

Wir dürfen uns als Gesellschaft nicht einreden lassen, dass es naiv oder unlauter wäre, solche Fragen zu stellen. Und wenn daraufhin abgelenkt wird damit, in anderen Bereichen verdienten Menschen auch Unsummen, gilt es eben, die Frage da ebenso zu stellen: wieso? Letztlich geht es immer um soziale Gerechtigkeit, wenn Menschen sich die wichtigsten Dinge im Leben nicht leisten können. Und Gesundheit, darüber sollte Einigkeit bestehen, gehört dazu. Ist die nicht mehr zu erreichen, muss eben die entsprechende Pflege möglich sein. Das mag auf den ersten Blick alles wegführen von Herbert Scheller, ist eigentlich aber ganz nah an ihm dran.

Deswegen ist es wichtig, zu spenden. Das gilt für Fans, aber auch für ehemalige Mitspieler, für alle, die es privat können, natürlich für Vereine – und wer sagt eigentlich, dass sich nicht auch deren Spieler beteiligen können? Es ist für den Fußball und seine Verantwortlichen außerdem wichtig, ganz generell diejenigen nicht zu vergessen, die ihm so viel gegeben haben. Und für sie da zu sein, wenn sie es am nötigsten brauchen. Auch dafür steht Schellers Geschichte.