
Darmstadt 98-Coach Lieberknecht ist kurz vor Erreichen des großen Ziels nur auf den Gegner fokussiert. Der FC St. Pauli ist gut drauf und hat eine grandiose Rückrunde gespielt.
Darmstadt. Ausverkauft, Flutlicht, Spitzenspiel: Wenn Fußball-Zweitligist SV Darmstadt 98 an diesem Samstag um 20.30 Uhr den FC St. Pauli empfängt, ist alles angerichtet für einen denkwürdigen Abend. Der SV 98 kann mit einem Sieg sogar schon aufsteigen, schließlich hatte am Freitagabend der Hamburger SV nicht gegen den SC Paderborn gewonnen (2:2). „Ich gucke das Spiel des HSV, ich gucke aber auch Dritte Liga: Da spielt nämlich der MSV Duisburg gegen Erzgebirge Aue“, sagte Lieberknecht am Freitagnachmittag, der sich im Gegensatz zu seinem Hamburger Kollegen Tim Walter eben auch die Zweite Liga anschaut.
Der Trainer des SV Darmstadt 98 und das Ausblenden mancher Dinge
„Wir haben alles so gemacht wie immer“, sagte Lilien-Trainer Torsten Lieberknecht am Freitagnachmittag sichtlich entspannt. Zu verlieren hat seine Mannschaft ja schließlich nichts. „Wir sind ganz normal bei uns geblieben, alles andere als unser eigenes Spiel haben wir komplett ausgeblendet“, sagte Lieberknecht. Tabellenkonstellationen und andere Rechenspiele sind nicht so sein Ding im Moment, man weiß, dass man sowieso nur sein eigenes Spiel beeinflussen kann. „Das war immer unser Weg, und deshalb haben wir saisonübergreifend überragende 124 Punkte geholt“, sagte der 49-Jährige. „Wir haben immer die Ruhe bewahrt, auch nach denn Niederlagen in Heidenheim und Bielefeld. Das ist das wichtigste.“
Kühl wirkt der Trainer in diesen Tagen nicht, er weiß natürlich um die große Chance auf Liga eins. „Wir sehen das alles nicht als alltäglich an“, sagte er, „64 Punkte sind eine unglaubliche Zahl. Ich bin emotional aber schon angespannt.“ Was ihn allerdings immer wieder runterbringt, ist die Tatsache, dass es ja auch noch Gegner gibt. „Und die können in der Regel auch Fußball spielen, und sie haben auch etwas vor.“ Die Ruhe, die sie ausstrahlen, sei aber keine Taktik, sondern schlicht und einfach Bestandteil der DNA des Vereins.
Die Stimmung in der Stadt ist zwar nicht euphorisch, aber doch voller Hoffnung und Erwartung. Das weiß auch Lieberknecht, alles andere hätte ihn aber auch verwundert. „Es ist doch normal, dass die Leute nicht mit Tränen in den Augen durch Darmstadt laufen“, sagte er schmunzelnd. „Das ist eine ganz normale Situation, die Menschen freuen sich darüber, wie wir uns präsentieren. Die Spannung steigt immer mehr, aber wir haben auch dafür unsere Kommunikation und unsere Strategien.“
Wir sind ganz normal bei uns geblieben, alles andere als unser eigenes Spiel haben wir komplett ausgeblendet.
Und das heißt, dass man nicht allzu forsch Ansprüche anmeldet. Andere Vereine machen das anders. „In St. Pauli sprachen sie recht offensiv vom Aufstieg, bevor sie dann beim Hamburger SV verloren“, erinnerte sich Lieberknecht, „in Heidenheim haben sie das auch mal gemacht. Und beim HSV geht das seit Jahren so.“ In Darmstadt fährt man derweil ganz gut damit, sich zurückzuhalten – trotz des Vorsprungs. Das Spiel am Samstag sei übrigens das Topspiel des gesamten Wochenendes. „Egal ob Bundesliga oder England: Es gibt kein geileres Spiel als unseres.“
Die Pressekonferenz der Lilien vor dem Spiel gegen St. Pauli
Auch in der Mannschaft ist das Thema Aufstieg kein großes, versichert der Trainer. Tobias Kempe und Fabian Holland (er trainierte in dieser Woche wieder mit und ist eine Option für den Kader) kennen das Gefühl, mit dem SV 98 in die Bundesliga aufzusteigen, beide waren schon 2015 dabei, als dies zum letzten Mal gelang. „Es spricht für Tobi, dass er es geschafft hat, in dieser langen Zeit so fit zu bleiben“, findet sein heutiger Trainer, der ihn zuletzt beim 3:0-Sieg bei Holstein Kiel eine Halbzeit lang spielen ließ. Und danach voll des Lobes war für den Routinier. „Er ist Profi durch und durch. Er kommt wieder in seinen Rhythmus.“ Ob Holland spielt, ließ er offen, „denn es stehen auch danach noch wichtige Spiele an“. Fehlen werden die verletzten Frank Ronstadt und Oscar Vilhemsson, ein Fragezeichen steht hinter Mathias Honsak (leichte Muskelprobleme).
Ein kleines Fragezeichen hinter Mathias Honsak
Dass sich Lieberknecht nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen will, hängt aber vor allem mit dem Gegner zusammen. Der FC St. Pauli hat eine grandiose Rückrunde (33 Punkte) gespielt und dürfte durchaus noch mal nach oben gucken, wenn er denn in Darmstadt gewinnen sollte. „Das ist keine Mannschaft, die hier nur mal so vorbeifährt. Sie haben sich wahnsinnig gut entwickelt“, sagte Lieberknecht. Der FCSP sei eine Mannschaft, die „wir bekämpfen und bespielen müssen mit all unserer Wucht“. Vor allem auf Stürmer Lukas Daschner gelte es zu achten, ihn kennt Lieberknecht noch aus gemeinsamen Zeiten beim MSV Duisburg, als er eher auf der Zehner-Position zu finden war. Mit einer flexiblen Grundhaltung ist das Team vom Kiez aber generell schwer auszurechnen, warnt der Lilien-Trainer. „Das macht es vielen Gegnern schwer, sich auf sie einzustellen. Sie sind noch dabei und wollen noch ein Wort mitreden beim Kampf um den Aufstieg.“
Das will und wird der SV 98 freilich auch – in der deutlich besseren Ausgangsposition.
Die Pressekonferenz des St. Pauli vor dem Spiel gegen die Lilien