Wer Angst hat, in der Krise sein Haus zu verlieren, kann sich erst einmal zurücklehnen: Zinszahlung und Tilgung liegen für drei Monate auf Eis.
DARMSTADT/MAINZ. Eine Krise wie diese gab es noch nie. Deshalb gilt es nicht nur, den Alltag im Familienkreis völlig neu zu organisieren, sondern zunehmend auch auf die privaten Finanzen zu schauen. Zumal niemand weiß, wie lange das Coronavirus noch wütet, welche Auswirkungen der Pandemie langfristig zu erwarten sind. Schon greifbar sind freilich die ersten wirtschaftlichen Einschnitte für den Einzelnen. Hier Kurzarbeit, die unweigerlich auch das Gehalt kürzt. Dort Selbstständige, die keine Aufträge mehr haben und nichts verdienen. Und jede Menge Unternehmen am Rande der Insolvenz.
Vor diesem Hintergrund ist so mancher Häuslebauer besorgt, ob er die monatlichen Zins- und Tilgungszahlungen in den kommenden Monaten weiter aufbringen kann. „Die meisten Finanzierungen stehen aber auf einem sicheren Fundament, sodass kurzzeitige Lohnausfälle nicht automatisch den Verlust des Eigenheims bedeuten“, sagt zumindest Stephan Scharfenorth, Chef des Baufinanzierungsvermittlers Baufi24.de.
Hilfe aus Berlin steht vor der Tür
Und Hilfe aus Berlin steht vor der Tür. An diesem Freitag soll eine Zins- und Tilgungsaussetzung für drei Monate Gesetz werden. Darauf hat dann jeder Anspruch, dadurch kann keinem ein Nachteil erwachsen, niemand kommt in Zahlungsverzug.
Durch diese Maßnahme werden außerdem Institute in die Pflicht genommen, die bislang mit schlanken Strukturen das schnelle Neugeschäft suchten wie Direktbanken. Aber eben keine Nachbearbeitung am Hals haben wollten. Unklar sei freilich noch, wie es nach dem 30. Juni weitergeht, so Michael Mahr, Vorstandssprecher der Volksbank Darmstadt Südhessen. Man werde nicht nur in seinem Haus mit der hochkomplexen Materie „extrem flexibel“ umgehen.
Eine ähnliche Regelung wie in der Baufinanzierung gibt es übrigens auch für Mieter, die finanzielle Probleme durch Corona haben und die nun zunächst keine Kündigung fürchten müssen.
Bei den Banken in der Region gab es in den vergangenen Tagen vermehrt besorgte Anfragen, was man denn tun könne. Solche Anrufe sind unter anderem auch bei Markus Rusam gelandet, Chef des Immobiliencenters bei der Sparkasse Darmstadt, dem südhessischen Marktführer. Tilgungsaussetzung ist dabei das Zauberwort. Diese hat man zwar nicht pauschal eingeräumt, aber aufgrund der Bestätigung durch den Arbeitgeber dann, wenn Kurzarbeit oder die Entlassung ansteht. Zunächst für sechs Monate, aber „im Einzelfall auch bis zu zwölf Monate“, so Rusam weiter. Ähnlich agierten Kollegen in anderen Sparkassen, sagte er am Donnerstag dieser Zeitung. Nun werde man, wenn gewünscht, die Übereinkunft gemäß der gesetzlichen Vorgabe abändern. Und diese, falls nötig, auch über den 30. Juni hinaus verlängern. Laut der Interhyp AG, eigenen Angaben zufolge größter Vermittler privater Baufinanzierungen hierzulande, bieten viele Verträge außerdem die Möglichkeit eines Tilgungssatzwechsels.
Manche Kunden, die auf Nummer sicher gehen wollten, haben eine Restschuldversicherung abgeschlossen. Diese greift für zwölf bis 18 Monate, wenn die Kreditraten nicht mehr gezahlt werden können – wobei Kurzarbeit als Grund bisweilen ausgeschlossen ist. Aber auch wenn Geld fließt, ist das meist erst nach drei Monaten der Fall, so Scharfenorth von Baufi24.de. Weil aber viele Verbraucher keine drei oder vier Nettogehälter als Rücklage auf dem Konto verfügbar haben, wie es allgemein empfohlen wird, bleibt dann doch nur, das Thema rechtzeitig mit der Hausbank zu erörtern.
Der Bundestag hat am Donnerstag beschlossen, dass bei vor dem 15. März dieses Jahres abgeschlossenen Verbraucherdarlehensverträgen Zins- und Tilgungsleistungen für den Zeitraum 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 ausgesetzt werden können. Dies gilt, wenn Verbraucher aufgrund der Corona-Pandemie Einnahmeausfälle haben und ihnen „die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist“. Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates. Sie soll an diesem Freitag erfolgen und gilt als sicher.
Von Achim Preu