Der Landesbetrieb „HessenForst“ soll, so argumentiert das Umweltministerium, „aus kartellrechtlichen Gründen“ künftig nur noch das Holz von kommunalen und privaten Waldbesitzern vermarkten, die weniger als 100 Hektar Wald besitzen.  Archivfoto: Weigel/dpa

Hessen-Forst betreut auch die Wälder der Städte und Gemeinden im Lahn-Dill-Kreis – und vermarktet deren Holz. Damit soll zum Jahresende Schluss sein. Das kritisieren...

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WETZLAR/HERBORN/ SOLMS/EHRINGSHAUSEN. Hessen-Forst betreut auch die Wälder der Städte und Gemeinden im Lahn-Dill-Kreis – und vermarktet deren Holz. Damit soll zum Jahresende Schluss sein. Das kritisieren die Bürgermeister, sie rechnen mit Mehrkosten.

Der Sprecher der Bürgermeister im Lahn-Dill-Kreis, Frank Inderthal (SPD) aus Solms, sagt: "Das hessische Umweltministerium hat eine 40-jährige Zusammenarbeit bei der Holzvermarktung brüsk aufgekündigt." In einer Versammlung in Erda hätten die Bürgermeister das Vorgehen einmütig kritisiert. Der "überhastete Ausstieg" werde "enorme wirtschaftliche Nachteile für die waldbesitzenden Kommunen" mit sich bringen.

Inderthal rechnet vor, was die Holzvermarktung kostet: 2,50 Euro pro Festmeter verkauftem Holz zahlten die Städte und Gemeinden an Hessen-Forst. Im Bereich des Forstamtes Wetzlar würden pro Jahr etwa 80 000 Festmeter Holz (Festmeter: ein Kubikmeter feste Holzmasse) aus Kommunalwald verkauft. So erhalte das Land Hessen für die Vermarktung rund 200 000 Euro. Aus dem Bezirk des Forstamtes Herborn kämen für 40 000 Festmeter Holz weitere 100 000 Euro hinzu.

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Insgesamt 300 000 Euro, mit denen die Lahn-Dill-Kommunen nun voraussichtlich gemeinsam eine eigene Verwaltung mit vermutlich zwei Büromitarbeitern, einem Förster im Auß;endienst, Fahrzeug und Büroräumen aufbauen müsse. Inderthal geht davon aus, dass diese Summe nicht ausreichen wird, dass es die Städte und Gemeinden mehr kosten wird als bislang. Und er erwartet einen groß;en Verwaltungsaufwand.

Eine Arbeitsgemeinschaft mit mehreren Bürgermeistern aus dem Kreisgebiet überlege derzeit, wie die Kommunen künftig ihr Holz verkaufen können. "Wir haben bislang kein Personal, das – anders als die Forstämter – langjährige Kontakte zu Käufern hat und solche Verträge schließ;en kann." Das Know-how von Hessen-Forst könne nicht in kürzester Zeit ersetzt werden.

In der Gemeinde Ehringshausen will man einen eigenen Weg gehen, den kompletten Beförsterungsvertrag mit dem Land Hessen kündigen, auf diese Weise 120 000 Euro jährlich sparen und stattdessen einen Förster von Hessen-Forst übernehmen und bei der Gemeinde beschäftigen, berichtet Bürgermeister Jürgen Mock (SPD) und sagt: "Es scheint machbar." Sorge, dass die Gemeinde ihr Holz künftig nicht mehr loswird, hat er nicht. Die Sägewerke fragten weiter nach.

Die Entscheidung der Gemeindegremien über den Plan stehe im Herbst an. Mock stellt aber klar: Ohne den vom Umweltministerium angekündigten Ausstieg aus der Holzvermarktung hätte man in Ehringshausen alles beim Alten belassen – "es lief gut, und wir haben mit unserem Wald immer ein Plus erwirtschaftet".

Warum überhaupt diese Änderung zum Jahreswechsel, warum hat die hessische Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) angekündigt, dass Hessen-Forst das Holz der Kommunen nicht mehr vermarkten wird?

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Aus kartellrechtlichen Gründen. Das Bundeskartellamt hatte den mangelnden Wettbewerb durch die groß;en Vermarktungsverbünde beim Holzverkauf in mehreren Bundesländern kritisiert. Gegen das Land Baden-Württemberg hatte das Kartellamt deshalb bereits 2001 ein Verfahren eingeleitet und Grenzen festgelegt: Landesförster dürften nur noch Holz aus Kommunal- und Privatwald vermarkten, wenn deren Fläche kleiner als 3000 Hektar ist.

Bürgermeister: Eine Neuorganisation der Holzvermarktung zum 1. Januar 2019 ist nicht umsetzbar

2015 verschärfte das Kartellamt diese Forderung und senkte die Grenze auf 100 Hektar. Baden-Württemberg klagte gegen diese Verschärfung. Der Rechtsstreit wurde dieses Jahr im Juni vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Der BGH gab zwar dem Land recht – aber nur aus formalen Gründen. Die inhaltlichen Forderungen des Kartellamtes blieben unwidersprochen.

Das hessische Umweltministerium reagierte tags darauf. Ab 2019 soll das Holz aus mehr als 100 Hektar groß;en Wäldern von Städten, Gemeinden sowie Privatpersonen nicht mehr von Hessen-Forst vermarktet werden. Dabei gibt es noch eine Übergangsfrist: Bereits abgeschlossene Holzkaufverträge können noch bis Oktober 2019 von den Forstämtern abgewickelt werden. Zur Klarstellung: Das reine Beförstern des Waldes ist von der Änderung nicht betroffen, nur der Holzverkauf.

Die Bürgermeister im Lahn-Dill-Kreis interpretieren das BGH-Urteil jedoch anders. Sie sehen "keinen akuten Handlungszwang", fordern eine Vermarktungsgrenze von 3000 Hektar – denn die vom Kartellamt geschaffene strengere Grenze beruhe auf einer anderen Vermarktungsstruktur in Baden-Württemberg.

Die Rathauschefs kritisieren aber nicht nur den Ausstieg von Hessen-Forst, sondern auch den Zeitplan. Eine Neuorganisation der Holzvermarktung zum 1. Januar 2019 sei nicht umsetzbar. Es brauche eine längere Vorlaufzeit – bis 2021. Eine Abordnung der Bürgermeister sei in Wiesbaden gewesen und habe mit Umweltministerin Priska Hinz gesprochen. Allerdings seien die Argumente für eine längere Übergangsfrist "auf taube Ohre gestoß;en".

Diese Zeitung hat vor über zwei Wochen auch das hessische Umweltministerium zum Ausstieg aus der Holzvermarktung für die Kommunen und zum Zeitplan schriftlich befragt. Von der Pressestelle des Ministeriums kam bislang keine Antwort. Von den 423 hessischen Städten und Gemeinden werden laut Nachrichtenagentur dpa über 400 von Hessen-Forst betreut.