Sonntag,
20.10.2019 - 11:00
4 min
Unternehmen im Gespräch: Formvielfalt GmbH in Groß-Umstadt

Von Anja Ingelmann
Reporterin Wirtschaft Südhessen

Alexandra Westhoven ist Spezialistin für Innenausbau, ein neues Geschäftsfeld. Foto: Guido Schiek
GROSS-UMSTADT - Im Hochregallager stapeln sich Metallbauteile, Stühle, Barhocker, Büroschränke und Miniküchen mit Spülbecken, Kühlschrank und zwei Kanistern für die Wasserversorgung. Aus den Möbeln zimmern die Mitarbeiter der Formvielfalt GmbH Messestände zusammen. Schwarz und Weiß sind die dominierenden Farben. "Damit können wir fast alle Konzepte realisieren", sagt Chef Jürgen Walther (56). Die meisten Werbebanner und Firmenlogos passen entweder zum einen oder zum anderen. Das Hochregallager und die Werkstatt bringen es zusammen auf rund 3600 Quadratmeter. Da der Aussteller für alles, was er braucht, selbst sorgen müsse, habe man vom Teppich über den Putzlappen bis zur Schraube alles auf Lager, sagt Walther. Spezialkonstruktionen bauen die Mitarbeiter in der eigenen Schreinerei, die Beleuchtung kommt aus der "Elektroabteilung" um die Ecke. Hier lagern auch an die 20 Flachbildschirme. Denn die Messen werden immer mehr zu Multimedia-Shows, ein Display am Stand gehört für viele Kunden zum Standard. Klassische Ordermessen gebe es heute kaum noch, stattdessen dienten die Veranstaltungen dem Austausch und der Kontaktpflege, sagt Walther. Statt Regalen seien Sitzmöbel in Lounge-Atmosphäre gefragt.
Zwischen 100 und 120 Messestände stellt das Unternehmen im Jahr, dazu ist man auf Messen in Deutschland und Europa unterwegs. Mit 15 Mitarbeitern ist das Team klein genug, um flexibel zu reagieren. In dem schnelllebigen und oft hektischen Geschäft ist das ein Vorteil gegenüber größeren Messebauern. "Manchmal fällt erst beim Aufbauen in der Halle auf, dass noch etwas fehlt. Dann können wir normalerweise von einem auf den anderen Tag liefern", sagt Walther.
Das Konzept wird schon viel früher entwickelt. "Ideal ist ein Zeitrahmen von drei Monaten von der ersten Kundenanfrage bis zum Messetermin." Der Kunde erklärt zunächst, was für eine Art Messestand er sich vorstellt, inklusive Kosten, Fläche und Farbwünsche. Drei Mitarbeiter, die in Innenarchitektur oder Industriedesign zuhause sind, entwerfen am Computer eine erste Zeichnung. Es gab schon kuriose Ideen, so ließ sich etwa der Logistikdienstleister Kombiverkehr einen Messestand um das Auto aus dem Film "Zurück in die Zukunft" bauen, einen Original DeLorean DMC-12. Für ein Verpackungstechnik-Unternehmen errichtete man eine Produktionsstraße für Pizzakartons und gerade entsteht ein Entwurf für einen weltbekannten Ketchup-Hersteller, in dem die Farbe Rot eine bestimmende Rolle spielen dürfte.
Tendenz zu Leichtbau mit Metallrahmen
Nach der Arbeitsvorbereitung geht es an die Umsetzung - entweder mit eigenen oder gemieteten Möbeln. "Vor ein paar Jahren hat man die Wände noch mit Holzplatten gebaut. Wenn die Messe vorbei war, wurde das meiste weggeworfen", erklärt Walther. Inzwischen seien fast alle Messebauer auf Leichtbau mit Metallrahmen umgestiegen, die flexibel zusammengesetzt und mit Stoff bespannt werden. Ist die Messe vorbei, wird alles zerlegt und wieder verwendet. Zumindest, wenn das Material noch zu gebrauchen ist, denn bis zu 3000 Kilometer im Jahr im Lastwagen verlangen ihm einiges ab und die Monteure arbeiten nicht mit Samthandschuhen. Im Rhein-Main-Gebiet fährt man schon mal selbst zum Aufbauen, darüber hinaus arbeitet Walther mit Messespeditionen zusammen.
STECKBRIEF
Formvielfalt GmbH
Branche: Messebau, Ladenbau
Produkte: Messestände, Showrooms, Ladeneinrichtung
Standort: Groß-Umstadt
Umsatz: 3-4 Millionen Euro
Geschäftsführender
Gesellschafter:
Jürgen Walther (Foto)
Gründung: 1992
Mitarbeiter: 15
Kunden: Unternehmen (branchenübergreifend), z.B. Fresenius, VDE, Edag, Erbatech
Den Messeplatz Frankfurt könne das Unternehmen durch den kurzen Weg recht günstig bedienen und auch bei den Kunden ist eine möglichst geringe Entfernung von Vorteil. So könne man sich schnell einmal vor Ort treffen und Entwürfe durchgehen. "In der Branche geht es sportlich zu", so Walther. Große Anbieter und kleine Firmen - auch aus Südhessen - konkurrieren um die Budgets. Formvielfalt hat 30 und 40 Stammkunden, die man jedes Jahr bei Messeauftritten betreut, darunter der Wiesbadener Ingenieurdienstleister Edag und der Odenwälder Maschinenbauer Erbatech. So kommen rund 90 Prozent der Aufträge zustande, die restlichen zehn Prozent auf Empfehlung oder durch Akquise. Dazu durchforsten die Mitarbeiter gezielt Ausstellerlisten nach Firmen im Radius von 100 Kilometern.
"Wir haben uns bewusst auf keine Branche festgelegt", sagt Walther. Zum einen könne man so branchentypische Probleme abfedern, zum anderen würden die Mitarbeiter kreativere Ideen entwickeln, wenn die Projekte möglichst vielseitig seien. Von der aktuellen Konjunkturdelle spüre man noch nichts, das Geschäft sei seit Jahren stabil und werde es wohl bleiben. Die Umsätze der deutschen Messeveranstalter sind im vergangenen Jahr nach einem Rückgang wieder leicht gestiegen und liegen bei rund 4 Milliarden Euro. Die Messe Frankfurt fuhr 2018 sogar einen Rekordumsatz von 718 Millionen ein. Deutschland genießt ohnehin als Messeland international einen hohen Stellenwert, fast zwei Drittel der globalen Leitmessen der verschiedenen Branchen werden hierzulande ausgerichtet.
Den Besucherrückgang bei der Internationalen Automobilausstellung (IAA) sieht Walther im Zusammenhang mit dem Wandel in der Autobranche. Und hier deuten sich seiner Ansicht nach durchaus Chancen an.
Neues Geschäftsfeld soll Wachstum bringen
Bisher hätten die Hallen mit technischen Entwicklungen vor allem Presse und Fachbesucher angezogen. "An den Publikumstagen waren die Hallen leer. Das war in diesem Jahr anders", berichtet er. Vor allem das autonome Fahren sei in allen Besucher- und Altersgruppen von Interesse gewesen. Das habe auch den Kunden Edag gefreut, der ein mit Brennstoffzellen angetriebenes autonom fahrendes Roboterauto präsentierte. Doch auch neue Trends im Messebau habe man bei der IAA gesehen, so beeindruckte BMW an seinem Stand mit einer Bar. "Man sieht öfter feste Möbel, es mischt sich", sagt Projektleiterin Alexandra Westhoven. Sie hat Innenarchitektur studiert, gehört seit Kurzem zum Team und soll diese Verzahnung vorantreiben. Formvielfalt soll organisch wachsen. "Dazu wollen wir vermehrt im Ladenbau und im Innenausbau aktiv werden, für Firmenkunden, aber auch Privatleute", erklärt der Chef. Der studierte BWLer übernahm den Betrieb erst vor zwei Jahren vom Gründerehepaar, stellte vieles auf den Kopf und einige junge Leute mit frischen Idee ein. Zuvor war er im Ladenbau für Juweliergeschäfte tätig - eine Mischung, die bei Formvielfalt offenbar gut funktioniert.